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Kurz vor der Banane: Marlon Brando in seiner einzigen Regiearbeit One-Eyed Jacks (USA 1961).

Ja, ich frag mich schon, was an diesem Mann so unsagbar attraktiv ist. Vermutlich folgt sein Aussehen einfach nur wieder dem Kindchenschema. Wie bei Mangas oder Glubschies. Nein, halt, das führt auf die falsche Spur. Bei Brando sind’s nicht die riesigen Augen – die Augen sind gar nicht so schön und speziell. Es ist die Flächigkeit des Gesichts, die schmale, flache Nase, die hohen Wangenknochen, über die sich die Haut spannt. Vollkommen glatt. Und straff. Sogar an den Ohren. Angewachsene Ohrläppchen, nichts Fleischig-Wucherndes im oder in der Nähe vom Gesicht. Ein Babyface. Aber! Ein leidgeprüftes Babyface. Die Augen sind nicht rund und staunend, sondern haben irgendwas Übles gesehen. Etwas hat das Kind erschreckt, und es musste ganz schnell die Augen zumachen. Und dann guckt es doch wieder hin. Und sieht: Sex. Erwachsene, die was wollen. Das Kind will das auch und es wird es auch kriegen – diesen Lippen kann keiner widerstehen. Die sind ebenfalls flach und breit und gerne leicht geöffnet. Die schmollen oder lächeln, aber immer nur minimal. Mehr muss auch nicht sein, das geht stets und direkt in die Geschlechtsorgane, bei allen. Sowie hinten in den Hals, wo die Gier und die Sehnsucht sitzen. Gier und Sehnsucht übertragen sich mühelos, springen hin und her, und dann ist nicht mehr klar: ob Marlon jetzt das Kind ist oder ich, ob er mich will oder ich ihn. Das Kind ist echt verdorben und kann gleichzeitig kein Wässerchen trüben. So geil.

Wenn Marlon Banane am Mund hat – wie in der ersten Szene von One-Eyed Jacks – ist das nicht peinlich oder deplatziert. Dann will ich kommen und sie ihm wegschlecken. Und er sitzt nur da und lässt mich gewähren.

Geschrieben anlässlich der „Das Kino als Hellseher”-Diskussion mit Anke Stelling, Silvia Szymanski und Christoph Hochhäusler, nach der Aufführung von One-Eyed Jacks (USA 1961, Regie: Marlon Brando) im ersten Revolverkino-Programm. Christoph Hochhäusler und Silvia Szymanski haben auch jeweils einen kurzen Text zu Brando verfasst, verblüffend (weil nicht abgesprochen) ist die „kulinarische” Verwandtschaft der Texte. Silvias Text findet sich im Revolver Heft 39, das Anfang Dezember erscheint. Christophs Text kann man hier nachlesen.