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Die Woche der Kritik -1.Tag
Katholisches Kino


“Cannes hat sie, Venedig und Locarno haben sie, und seit 2015 hat auch Berlin eine Woche der Kritik.”: Guck mal, das steht so im Pressetext!… Dann all diese Leichen und das am Eröffnungsabend. Mir ist immer noch ganz schlecht.” “Nun reiss dich mal zusammen… schreib: George Clooney findet die Woche der Kritik auch gut oder: seine Frau ist ja auch Aktivistin.” 

Die erste Veranstaltung AKTIVISM im letzten Jahr war, was den folgenden deutschen Sommer und die Entwicklung des Internets anging geradezu prophetisch.
Brule la mer zog uns übers Mittelmeer… Wagemut, Kapazität, Trauer. Dazu wurde die Veranstaltung von einem Pamphlet des
Mitgefühls und der Solidarität mit Flüchtenden von der
hochgeehrten Mely Kiyak kämpferisch und geradeaus eingeleitet….

Ich hoffe, dass diese Veranstaltung: AURA keine Prophezeiung sein soll/wird, jedenfalls keine reale.
Dann müssen wir  zu Weihnachten nämlich so richtig in Blutsuppe baden.
Beim Thema Aura sind die einzig Lebendigen tot. Ausgestopfte Tiere oder Menschen auf altem Archivmaterial. Dazwischen Szenen wie aus einem Theaterstück. Das passt gut zusammen.

Der erste Film “La Fin D´Homere” von Zahra Vargas ist ein Dokumentarfilm, ruhig und gut inszeniert (Dokumentarfilme müssen gut “inszeniert” sein, Einstellung ist Einstellung). Auf Filmmaterial und deshalb schon sehr bewusst gedreht, ist der Jäger Homer schon tot, weil er dem sozialen Druck, der seit seinem Schuß auf einen geschützten Vogel auf ihm lastet, nicht aushält: “Er dachte es sei ein Adler deshalb schoss er wohl…Allerdings: Auch Adler darf man nicht schiessen…” “Nungut, er hat kein Kind erschossen.” Es scheint schlüssiger, dass Homere sich sowieso umbringen wollte, zwischen all diesen ausgestopften Tieren und gruseligen, alten Jägergesichtern.

Eva Perons toter Körper wird im zweiten Film: „EVA DOESNT SLEEP“ wie vorher die toten Tiere, jetzt als Heilige einbalsamiert, eingeschmiert. Es wird mit Ihr rumhantiert. Der halbsteife Körper wird begehrt, durch die halbe Welt gekarrt, schliesslich unter sechs Metern Beton verscharrt.
Ihr toter Körper ist dann auch Schuld und treibt Männer in den Wahnsinn. Der junge Regisseur frisch aus dem Flugzeug gefallen sagt doch tatsächlich später ganz unironisch: “Schöne… Frauen die Macht haben sind ja sehr beängstigend.” Also eben, wie im Katholizismus oder Hollywoodfilmen besser tot. Langsam eklig, nicht endlich mal zu fragen: Für wen und warum? Dieser spitze, saublöde Katholizismus, den mensch sich nicht anders erklären kann als eine Überlebensstrategie des/im Wahnsinn/s. Angesichts von in Filmen auch noch reproduzierten „Todestechniken“ und vielen tausenden zu Tode gefolterten und im Meer versenkten Menschen ist das vielleicht eine notwendige Trauma-Strategie um so echte Gefühle wenigstens zu konservieren. Kurz vor ihrer Hinrichtung sagen die Mörder: Gott ist gerecht. Ja und natürlich ist es ok darüber einen Film oder viele zu machen und dieser schrammt ja auch die Brechung. Den irren Blick stellt er aber nicht in Frage. „Schade“ ist zu schwach: Sche….

Den sehr jungen, elfenhaft schönen, verwirrt aussehenden Schauspielern aus Argentinien, muss der Empfang im Kino in den Hackeschen Höfen kühl vorkommen. Wir klatschen natürlich, aber hier sind halt nicht die 300.000 Toten wie bei Eva Perons Beerdigung. Sie sagen dann charmant: “In der Kunst sind Dinge real vorhanden, obwohl sie nur im Geist von vielen existieren.”

In meinem Leben sind lebendige Menschen, deshalb möchte ich Dokumentarfilme sehen die Kunstwerke sind und Haltung zeigen. Einstellung ist Einstellung.

z.b.: „La Tempestad“ von Tatjana Huezo, Mexico
https://www.youtube.com/watch?v=Bq4vXEtTVc0
http://www.zeit.de/2016/07/berlinale-forum-filmemacher
 
….  Ich werde nicht wie letztes Jahr jeden Tag zur Woche der Kritik schreiben. Hier passt das schlichte SCHADE.

Zu der auf die Filme folgenden Diskussion: Es fällt mir auf wie wenig im Vergleich zu anderen Ländern in Deutschland öffentlich geweint wird. Verständlich, wer weint schon gern, ausser im Kino. Wir haben soviele Tote und Geflohene in unseren eigenen Familien, dazu Täter, Väter, Taten. Wir würden eine Weile nicht mehr aufhören können. (Da kommen die muslimischen Flüchtenden ganz recht.)

Der Filmkritiker der NewYork Times besuchte das Mahnmal der ermordeten Juden Europas am vormittag. Er sah was hier zulande aus toten Menschen gemacht wurde: Asche, Dünger oder Asphalt. Er spricht davon im Zusammenhang mit dieser („unserer“ nannte sie der Regisseur wie selbstverständlich) „christlichen Tradition“.
Es gibt in Buenos Aires so viele Buchläden wie in ganz Lateinamerika, es gibt Lucrecia Martel, Nuevo Cine Argentino, und überhaupt… den Papst, aber
was sagt man zu Menschen die in Massen vor dem Fernseher knieen, weinen und beten und versuchen dadurch die Luftmoleküle  im Sinne ihrer Lieblingsmanschaft mit dem heiligen Geist aufzuladen. Durchgeknallt? Gläubige. Argentinier? Katholiken? ja genau.
Grüsse Katrin Eissing

Auf dem Nachhauseweg in der UBahn:

Katrin Eißing