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REVOLVER @ GOETHE PARIS (5)

Auf Einladung des Goetheinstituts Paris – Carte Blanche für Revolver – haben wir eine kleine Reihe mit deutschen Filmen zusammengestellt, die uns persönlich wichtig sind und so etwas wie eine alternative deutsche Filmgeschichte umreissen, jenseits der in Frankreich gut etablierten Säulen Weimarer Kino und dem „Fassbinder-Herzog-Wenders-Komplex”. Mehr über die Reihe findet sich hier.

Rechts: Sascha Urchs als „Bübchen”.
Als fünften Film zeigen wir am 27. Mai Roland Klicks BÜBCHEN (D 1969) – ein einzelgängerischer Film, dessen Größe auch darin besteht, angesichts des Themas nie versöhnlich oder pädagogisch zu werden.
Roland Klick im Interview mit Frieder Schlaich:
„Ich hab immer geschrieben, geschrieben und zu dem Rob Houwer gesagt: »Robbie, ich seh das nur in meinem Elternhaus«, denn wir haben Motive gesucht aber einfach kein Haus gefunden. Ich hatte wohl bewußt oder unbewußt mein Elternhaus zum Vorbild genommen. Und dann sagte der Robbie etwas, und das zeichnet ihn auch aus als Produzent. Er sagte: »Roland, wenn Du das Elternhaus haben willst, dann kriegst du dein Elternhaus«, und dann hat er den Produktionsleiter hingeschickt zu meinen Eltern und hat denen ne Weltreise bezahlt…ja, da waren sie erstmal weg und wurden bezahlt, 20.000 Mark, und dafür hatten wir dieses Haus.”


„Ein bißchen bin auch das Bübchen. Ich habe zwar niemanden ermordet, aber für meine Eltern war ich auch ein Schreckgespenst, weil ich Weltahnungen und Vorstellungen hatte, die sich nicht realisiert haben. Was hinzukommt ist, daß der Junge unheimlich gut war. Er war muffig, vorher waren lauter nette Filmkinder gekommen, und hier war endlich einer, der sich nicht sofort angepaßt hat. Der hat gar nicht mit mir geredet, der stellte sich bloß in die Ecke und hat vor sich hingebrabbelt, und dann merkte ich: Gott, der ist gut. Und als wir einmal den Kontakt gewonnen hatten, war das fast eine telepathische, hypnotische Angelegenheit, ich konnte ihn quasi nur durch meine Laute lenken. Szenen, von denen man denkt, die sind zwanzigmal gedreht,  haben wir in einem Mal geschafft. Heute ist er Professor in Halle. Das hat ihm wohl gut getan.”

(Der Film ist in der Filmgalerie 451 auf DVD erschienen. Das Interview findet sich als Bonus, hier ein Ausschnitt).

„Bübchen“, gedreht 1968, ist der erste Langfilm von Roland Klick, Jahrgang 1939. Verstörende Dinge geschehen in einer Vorstadtsiedlung. Ein Junge erstickt seine kleine Schwester, als er mit ihr allein gelassen wird und entsorgt die Leiche auf dem Schrottplatz. Jetzt kann er endlich ungestört spielen gehen. Die kleinbürgerliche Welt damaliger Einfamilienhaussiedlungen wird aus der Sicht des mit seiner Verantwortung überforderten, allein gelassenen Kindes gezeigt. Eine Welt, die mir aus eigener Kindererfahrung gut bekannt ist: Als der Film gedreht wurde, war ich vier und wohnte in einer Vorstadtsiedlung am Rand von Aachen. Die Kamera folgt dem Kind durch ein Kataster der Unorte, der Verschnittgrundstücke und Wildflächen, ein Spielfeld für Egoshooter, während sich die Erwachsenen amüsieren. Und sie folgt dem kleinen unschuldigen Monster wie ein neugieriges Insekt. Die betonte Gewöhnlichkeit und Durchschnittlichkeit des Gezeigten, die bräunlich-warme Farbigkeit wird durch die Weigerung des Films, Schreckliches nach den Mustern poetischer Gerechtigkeit aufzulösen oder verstehbar zu machen, durch den Verzicht soziologischer Deutung und Analyse zum eigentlich Schrecklichen. Meiner Ansicht nach der beste Film eines großen „Schwierigen“ des deutschen Kinos. (Marcus Seibert)
Sieghardt Rupp als der Vater
Freitag, 27. Mai, 19.30 h
BÜBCHEN (Roland Klick, D 1969). Vorgestellt von Marcus Seibert.

Im Kino des Goethe Instituts Paris

Goethe-Institut – 17 avenue d’Iéna, 75116 Paris
Originalfassung mit französischer Untertitelung
4€; 3€ für die Inhaber der Carte Goethe
Tel. +33 1 44439230

Nächster Termin: 24. Juni 2011 / PAUL von Klaus Lemke. Im Anschluss: Revolver Party.

(Eingestellt von Christoph)