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Alexander Kluge: Die Sonne …

Die Sonne im unbeachteten Nebengelass eines großen Filmstudios nachmittags halb drei.

In einem Nebengelaß der CCC-Studios in Berlin-Spandau, in dem Kostüme und Dekorationen abgestellt waren, fiel auf die große beigefarbene Wand, die den Fensteröffnungen gegenüber lag, das Abbild der Bewegung von Sträuchern und Bäumen, die das Studio umgaben. Die Sonne belichtete die zitternde Bewegung dieser Lebewesen und führte sie den Nachmittag über, bis sie gegen 18 Uhr unterging, auf der Wand entlang. Kein Augenblick wie der andere. Die Lichtmuster von kurzem Leben und gleich darauf nicht mehr rekonstruierbar, sondern durch andere Figurationen ersetzt. Filmt man diese Bewegung mit einer Laufgeschwindigkeit der Kamera von einem Bild pro Sekunde, so hält man das Sonnenlicht indirekt und in einer „lebhaften Ereignisfolge“ fest.

Während im Studio mit mittlerem Aufwand an Dekorationen und fest installierten Scheinwerfern ein Drama inszeniert und aufgezeichnet wurde, existierte hier im Nebengelaß das kinematographische Motiv, die Herausforderung.

Vorabdruck aus Alexander Kluges „Geschichten vom Kino“, das im Suhrkamp Verlag erscheint. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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