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Keine Geschichtsschreibung ohne Kategorien. Intervention in Geschichtsschreibung heißt: Kategorienverschiebung. Die mehrteilige Reihe Kino-Atlas, die Lukas Foerster und ich kuratieren und die nun Ende September im Österreichischen Filmmuseum beginnt, geht von der Idee aus, dass Kino etwas mit Gruppierung
zu tun hat. So wie ein einzelner Film für gewöhnlich nur zustande
kommt, wenn eine Gruppe von Menschen sich über einen begrenzten
Zeitraum an einem
spezifischen Ort versammelt, gruppieren sich die Filme selbst um soziale
Konstellationen: als „Neue
Wellen“ in Paris, Tokio
oder Taipeh, aber auch als freundschaftlicher Zusammenhang an einer
Filmhochschule, als politische
Zweckgemeinschaft oder
als Produktionseinheit in einem Studiosystem.

Nimmt
man solche Formen der Sozialisation als die Grundeinheit der Kinos, so
wird der Blick frei auf eine Filmgeschichte,
die nicht von
National-Kinematografien ausgeht und trotzdem die historische
„Verräumlichung“ von Kinopraktiken anerkennt;
die nicht dem
auteuristischen Geniekult huldigt und doch interessiert ist an den
Spuren des Individuellen, die sich ins filmische
Bild eintragen; die Stil
nicht als formalistisches Abstraktum fasst, sondern als Kondensat eines
jeweils spezifischen In-der-Welt-Seins

Passing Through (Larry Clark, 1977)
L.A. REBELLION: Creating a New Black Cinema
Das erste Kapitel des Kino-Atlas: die L.A. Rebellion. Ausgangspunkt war ab
Mitte der 1960er Jahre die UCLA Film School, wo sich eine Gruppe schwarzer Studenten zusammengefunden
hatte, die nach
ästhetischen und politischen Alternativen nicht nur zu Hollywood,
sondern auch zu den geläufigen Formen des
Autorenkinos ihrer Zeit
suchten. Das Kino der L.A. Rebellion entstand in direktem Anschluss an
die sozialen Kämpfe jener Jahre
– die
Civil-Rights-Bewegung, die Watts-Unruhen 1965 – sowie in (kritischer)
Auseinandersetzung mit den avancierten
Strömungen des
nationalen wie internationalen Independent-Kinos.

Soweit
sie überhaupt noch ein Begriff ist, wird die L.A. Rebellion heute meist
auf wenige Namen – Charles Burnett, Haile Gerima, Julie
Dash – verkürzt. Ein
umfangreiches Restaurierungsprojekt der UCLA hat es nun möglich und
notwendig gemacht, sie dem Friedhof
der vergessenen
Avantgarden zu entreißen. Dabei wird der Blick frei auf eine sehr viel
größere Gruppe von Filmemacher/inne/n
(und andere minoritäre
Arbeitskontexte, etwa von hispano-amerikanischen oder
asiatisch-stämmigen Studierenden); auf ein filmästhetisches
Spektrum, das sich
keineswegs im Neorealismus erschöpft, das auch wütende Agitation und
hochreflexive Introspektion umfasst;
und auf einen
diskursiven Raum, der weit über die Grenzen dessen hinaus weist, was
heute gemeinhin unter „Indie-Kino“
verstanden wird.

Die Retrospektive findet vom 24. September bis 8. Oktober im Österreichischen Filmmuseum statt. Das Programm findet sich hier

Ein Großteil des Programms wird zudem im November im Arsenal in Berlin zu sehen sein.

(eingestellt von Hannes)