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„Lektionen in Herzog” nennt der Filmwissenschaftler Chris Wahl seinen lesenswerten Sammelband zu Werner Herzog – und so manch eine dieser Lektionen ist bitter. Die erste Hälfte des Buches liefert eine vergleichende Rezeptionsgeschichte von Herzogs Filmen in Deutschland, Frankreich, Italien und den USA. Wahl bilanziert im ersten Kapitel des Kompendiums eine nicht endenwollende Serie von Missverständnissen, Schmähungen und Angriffen auf einen der wichtigsten deutschen Regisseure von seitens der deutschen Kritik und anderen Öffentlichkeitsproduzenten. Große Konstante der Angriffe ist der – aus heutiger Sicht ganz absurde – Vorwurf einer „faschistoiden” Ästhetik, der „Ausbeutung” von Minderheiten sowie immer wieder auch seine „unpolitische Haltung”. Zwar ist das Herzog-Revival, das die amerikanische Periode seines Schaffens weltweit begleitet, nicht ganz am Heimatland vorübergegangen; gerade die jüngere Berliner Kritik (Groh, Förster, Knörer usw) scheint besonders Herzog-affin. Sieht man sich aber an, wie wenige dieser neueren Filme Herzogs hierzulande einen regulären Kinostart hatten (und wie lieblos die Herausbringung oft war), kann man keine echte Trendwende feststellen. In Frankreich, Italien und den USA sah und sieht die Situation anders und besser aus. „Zum Antrieb, dieses Buch zu machen, gehörte also durchaus eine gewisse Empörung darüber, dass mit einem so wichtigen Bestandteil des deutschen Filmschaffens nach dem Zweiten Weltkrieg bisher so nach- oder fahrlässig umgegangen worden ist.” schreibt Wahl, der Herzog im Untertitel des Buches auch trauernd einen „verlorenen Filmautor” nennt. Die Tatsache, dass der Band unglaublicherweise erst die zweite deutsche Buchveröffentlichung zu Werner Herzog ist – die erste ist die längst vergriffene Monografie in der blauen Reihe von Hanser, von 1979 – lässt dieses „verloren” gerechtfertigt erscheinen. Die zweite Hälfte des Buches versucht dementsprechend Versäumtes nachzuholen und widmet sich Herzogs jüngerem Werk. In Aufsätzen verschiedener Autoren  geht es um „Bad Lieutenant” (Marit Knollmueller), „Herzogs Komik” (Eric Ames), seine Arbeit für die Oper (Lutz Koepnick), um Herzog als „Euro-Ethnologen” (Valérie Carré) und seine „Doku-Fiktionen” (Chris Wahl). Eine willkommene Veröffentlichung, die hoffentlich Auftakt einer ganzen Legion von Büchern sein wird.

„Lektionen in Herzog – Neues über Deutschlands verlorenen Filmautor Werner Herzog und sein Werk” Chris Wahl (Hrsg.), Edition Text + Kritik, München (Revolver kooperiert vertrieblich mit et+k).

(Eingestellt von Christoph)