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Wanamaker Grand Court Orgel in Philadephia, Pennsylvania, USA.

Mir ist eben der Gedanke gekommen, dass man, will man den Film als „historisches Gefäss” erhalten – und dafür bin ich unbedingt – nicht umhin kommen wird, auch die Produktion von Filmmaterial sowie einzelne Kopierwerke unter Schutz zu stellen. So wie meinetwegen die Orgelmusik nur lebendig gehalten werden kann, so lange es funktionstüchtige Orgeln gibt, so kann eben auch der Film als Kulturtechnik nur überleben, so lange die materiellen Grundlagen dafür weiter bestehen. Wer weiss, vielleicht wird das BFI eines nicht zu fernen Tages DE LUXE subventionieren müssen, die Cinémathèque Française ÉCLAIR, das Österreichische Filmmuseum LISTO und die deutschen Filmmuseen im Verbund das ARRI-Kopierwerk in München? Anders wäre wohl nicht zu gewährleisten, Filme der materiellen Ära auf lange Sicht werkgerecht aufzuführen und zu erhalten. Teurer als eine Oper ist der Systempreis des Kinofilms schwerlich.

Christoph

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Matthias, danke für deinen Kommentar. Ich glaube, es kann kein Entweder-Oder geben in der Frage. Es gibt Filme, die aus dem Material heraus gedacht und gemacht sind. Andere waren sozusagen schon immer auf eine immaterielle Präsentation aus – und liessen sich wahrscheinlich idealerweise direkt ins Gehirn einspeisen. Beide Positionen sind berechtigt. Ich habe kein Problem damit wenn die Mehrzahl der Projektionen digital sind, aber die Möglichkeit einer klassischen Vorführung muss erhalten bleiben. In zehn oder fünfzehn Jahren werden wir besser verstehen, wie spezifisch die Filme, die wir heute noch für „normal” halten, auf die technischen Bedingtheiten antworten, die im Begriff sind zu verschwinden. Christoph

  2. Vertane Chancen, schon richtig.
    Dennoch halte ich es (als Kinobetreiber, der fast ausschließlich digital spielt, aber in der Tat noch einen 35mm-Projektor behalten hat) für angezeigt, die heilige Kopie des formattreuen Abspiels zu schlachten. Formattreu war dieses Abspiel nie, da es in aller Regel bedeutete, dass beschädigte Kopien zu Einsatz kamen, die natürlich eine "analoge" Ästhetik haben, die man aber schwerlich als integralen Teil des Filmgenusses verstehen kann.
    Das tolle an Film ist doch gerade, dass eine beeindruckende Vorführung eines Meisterwerks stattfinden kann, ohne dass Künstler anwesend oder aufwändige Technik vorhanden sein muss.
    Es war schon immer so, dass Filme fast immer in einer Form projiziert wurden, die weit entfernt von Festivalbedingungen mit idealer Technik ist — und wohl jeder Cineast hat seine großartigen Erfahrungen mit Film in solchen Vorstellungen gemacht.
    Natürlich ist es daher wichtig, Technik zu erhalten — der Weg, das Filmerbe für die folgenden Generationen zu erhalten, kann aber nicht sein, sie als Archivkopien mit restriktiven Ausleihbedingungen zu erhalten, die nur in wenigen hochsubventionierten Vorstellungen gezeigt werden können.
    Die Chance der Digitalisierung liegt aber darin, dass mit dem DCP ein allgemein abspielbares Format vorliegt, das (Achtung, viele werden jetzt aufheulen) dem 35- oder 70mm-Positiv qualitativ ebenbürtig und gut standardisiert ist. Damit kann jedes Kino jeden Film mit geringem Aufwand spielen, sofern er in Form eines DCP vorliegt. Was am Abspiel eines restaurierten DCPs weniger formattreu sein soll als an einer abgenudelten 35mm-Kopie, geht mir nicht in den Kopf!
    Und hier läuft derzeit einiges schief: Einerseits fließt viel zu wenig Energie in die Aufbereitung des Filmerbes (und zwar nicht nur der herausragenden Klassiker) und andererseits verschlafen die Verleiher sogar die Chance, das neu hinzukommende Repertoire verfügbar zu machen: Schon nach einem halben Jahr ist es derzeit in manchen Fällen nicht mehr möglich, aktuelle Filme als DCP zu erhalten — "Dann spielt Ihr halt eine BluRay" hört man dann oft.
    Dazu kommt, dass es jetzt noch mal eine konzertierte Aktion geben muss, um auch die Kinos, die die aktuellen Förderbedingungen für die Digitalisierung nicht erreichen, die aber wichtig für die Kinolandschaft sind, finanziell zu unterstützen, um ihnen die Anschaffung digitaler Projektionstechnik zu ermöglichen.
    Das alles ist eine historische Chance, mit vergleichsweise wenig Geld eine komplette Kunstform dauerhaft zu sichern.

  3. Florian,

    von dem SWR-Kopierwerk wusste ich nichts. Wirklich eine vertane Chance! Ich fürchte, dass man den Film als Material tatsächlich sterben lassen will. Wie dumm und kurzsichtig. Christoph

  4. Im Dezember letzten Jahres hat das letzte Filmkopierwerk einer dt. Fernsehanstalt, das SWR-Filmkopierwerk in Baden-Baden geschlossen. Aus genau den Gründen die du beschreibst kam mir diese Schließung leichtfertig vor. Das Werk war auf dem letzten Stand der Technik, der Sender als großer Ausbildungsbetrieb hätte eine langfristige Erhaltung leicht "mitlaufen" lassen können.
    Die deutschen Filmmuseen und Archive haben jedoch aus mir unverständlichen Gründen keinerlei Interesse gezeigt. Es war sogar die Sprache von der "digitalen Simulierung der 35mm-Vorführung".

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