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Zwei
Filme und eine ehrlich verwirrte Diskussion. Anlauf nehmen vor dem
Sprung. 

Von
oben fallen Sachen ins Bild, wie in einem zu
kleinen Theater. Die Fassaden, Hausfassaden im Wedding, die alles sind, was wir zu sehen bekommen, sind auf
ähnliche Weise schrottig schön in:
„Hochzeitsvorbereitungen
auf dem Lande“ von Youdid Kahveci 

 wie die Wände in Séte, der Stadt
am Mittelmeer, vor denen der Junge Poet Remi im zweiten Film:

 *Un
jeune poète* von Damien Manivel
herum tappst. Er ist auf
der Suche nach Inspiration. Die Farbstimmungen beider Filme sind sehr bewusst ausgewählt und sehr verschieden.
Remi
zweifelt unter Blau und Sonnenschein. Die Frau, Rabena, angeblich auf
dem Weg zu ihrer eigenen Hochzeit, steht im Berliner Regen mit
dichten, starken Farben. In das Rauschen hinein gesprochenen Sätze,
die Off-Texte und gelbe Untertitel ergeben eine dauernde poetische
Sprachcollage: Kind of strange female Flaneur- ich verliere
Kontrolle- wenn der Zweifel aufhört? Immer wieder taucht ein kleines
Mädchen auf, Zeit wird durchsichtig. Charmante Schirme überall.
Detlef Kuhlbrodt, Berliner Flaneur steht kurz unter einem.
Remi,
die „reale“ Hauptperson in *Un jeune poète*, gibt seine
Gedichte, seine Angst vor der Zukunft, einfach sehr viel von sich
preis. Wie graziös und geschickt die dunkle Frau in der Billiardbar
tanzt! Zum Schluss wird klar, dass der Film ein Dokumentarfilm ist.
Und was zum Beispiel diese Frau in der Bar uns geschenkt hat. Schade,
dass wir Zuschauer jetzt die dunstige Peinlichkeit, die der
verzweifelte „junge Poet” als unsere eigene aufrührte,
emotional ökonomisch auf ihn zurückschieben können. Die
Einstellungen in beiden Filmen sind ausgewogen schön… bedächtig
schön. 
Anlauf
nehmen vor dem Sprung aus einer langen Pubertät heraus…

Ein
natürliches Thema für junge Filmemacherinnen meint Dana Linssen.
Provokation
als Themensetzung finden alle Teilnehmer und das Publikum erst
einmal, besonders angesichts der zwei schönen Filme, eher nervig. 
Es
wird dann aber die beste Diskussion der Woche bisher (finde ich!) Konfus,
offen, naiv. 
z.B.:
„Weinen
im Kino“ Kafka
Ästhetik
als Weg zu lernen, die Welt besser zu verstehen.
Brief
an einen jungen Dichter von Rilke
Künstlertum,
Intuition, stay true to your feelings, don´t be so naiv! I wish
I could!, Buissnes Mainstream, Antithesis, Irakian Odysse, mich
interessiert nur die Revolution (hui), Film als Berührung.
Provokation
heisst: „Für etwas sprechen“ nicht „Gegen etwas sein“.
Am
Morgen
Vor
mir läuft ein Kind mit Schulmappe auf dem Rücken, in dem ein
grosses Schwert steckt, es hat ein Buch unter dem Arm mit der
Aufschrift: “Ritter“.
Ich
bin auf dem Weg zu einer Trauerfeier für einen sehr jungen Mann,
Freund meiner Kinder. War der Anlauf zu kurz gewesen?
„Es
war der Morgen, an dem sie mit dem Schwert zur Schule ging…“

Hallo
Remi,
Auch
viele Filme gucken, darüber schreiben und endlos
Quatschen hilft nicht.
Weinen nützt manchmal, oft auch nicht. Dichten nützt. Der Versuch schon. Wenn nicht dir, dann uns Anderen
(wie du siehst). Geschichten und blöde Gedichte
schreiben, sie teilen, ist nicht „wichtig“ sondern so etwas wie
essen und trinken.  
Grüsse 

Katrin Eissing