Gespräch: Schauspiel
mit Tatjana Alexander, Catherine Bode, Fabian Krüger, Ingrid Sattes, Sigfried Terpoorten, Laura Tonke, Nicolas Wackerbarth
casting
N. Albrecht: Wir hatten den Eindruck, dass hier in Deutschland die Bereitschaft, sich auf ein Casting einzulassen, sehr unterschiedlich ist. Was in den USA ja völlig gang und gebe ist, dass die Leute alle enthusiastisch sind und hingehen, tausende von Leuten auf eine Rolle, und hier muss man sich schon fast fürchten, einen etwas prominenteren Schauspieler zu fragen, ob er bereit ist, zum Casting zu kommen.
C. Hochhäusler: Die Frage ist, was ihr von dem Instrument Casting haltet, wie diese Begegnung idealerweise aussehen könnte.
T. Alexander: Ich habe drei Jahre in L.A. studiert, und habe, als ich nach Deutschland gekommen bin, tatsächlich diesen Unterschied bemerkt. Meine Erfahrungen in den USA waren eigentlich sehr gut, weil die Castings da einen sehr klaren Ablauf hatten. Wann das Drehbuch kommt, zum Beispiel; auch für kleine Rollen immer das ganze Drehbuch, spätestens 24 Stunden vor dem Casting. Und das Schöne war, dass bei diesen Castings immer Spielpartner da waren, und auch immer der Regisseur und der Regieassistent. Und das ist hier ja nicht der Fall. Es passiert hier sehr oft, dass kein Regisseur da ist. Auch bei grösseren Rollen. Und es kann ja nicht sein, dass es immer nur um die Hauptrolle geht, und nur da ist alles perfekt. Wir müssen ja auch unser Bestes geben. Und wollen das ja auch. Es ist einfach sehr hilfreich, wenn du die ganze Geschichte kennst, auch wenn du für eine kleine Rolle castest. Weil du dich innerhalb der Geschichte siehst. Und manchmal geht es auch einfach um Körpersprache, die man sich da rauslesen kann. Oder dass man mit dem halbwegs richtigen Outfit kommt.
L. Tonke: Ich geh da hin, weil ich selbst erst mal kucken muss, ob ich den Regisseur überhaupt gut finde oder mit dem klar komme. Davon wird aber nie ausgegangen. Und die tun total überrascht, wenn man dann sagt, ich möchte nicht, weil ich mir den Regisseur angekuckt habe, und mir hat der gar nicht gefallen, ich kann mir gar nicht vorstellen, mit dem zu arbeiten. Und es wird dann immer auch ganz grossartig so getan, als wenn das für die Regisseure auch ganz ganz schwer sei, die Situation. Aber die Situation für die Schauspieler, die sich dort hingeben, ist viel schwieriger. Die Ablehnung geht ja nicht nur an irgend ein Stück Papier, sondern an mich persönlich.
I. Sattes: Ich würde trotzdem niemanden einstellen ohne Casting. Selbst wenn mir das Band noch so gut gefällt. Das Entscheidende ist halt, ob man zusammen arbeiten kann, ob man zusammen eine Sprache findet.
L. Tonke: Ich hab fast alle Rollen, bei den guten Filmen, ohne Casting bekommen, alle mit einem Gespräch, und ich muss ganz ehrlich sagen, wenn ein Regisseur mir so ein Vertrauen entgegen bringt, dass er mich besetzt, nur nachdem wir kaffeetrinken waren, da bin ich bereit für vieles.
N. Wackerbarth: Es hängt auch sehr stark vom Regisseur ab – es gibt Castings, die sind von vornherein Massencastings, wo ich das Casting überhaupt nicht verstehe, wo’s wirklich nur Typecasting ist, und es wird auch nicht gearbeitet. Da reichen dann wirklich nur Fotos oder Bänder. Diese genaue Beobachtung findet da ja nicht statt. Ich habe auch das Gefühl, dass oft Unsicherheit herrscht in der Zusammenarbeit, was Schauspieler betrifft. Es ist so völlig konfus… Plötzlich sitzt die Assistentin da und sagt: „ich liebe dich“, schaut dabei aber zur Regalwand mit den Videos deiner Kollegen… oder sie grinst durch Dich hindurch vor lauter Verlegenheit. Manchmal wird dann so improvisiert, und man weiss gar nicht genau, wo das alles hinlaufen soll. Letztendlich aber ist es sehr schnell klar, wenn die Leute genau kucken können. Wenn sie ein Gefühl dafür haben, was ein Schauspieler ist, wie er sich artikuliert, wie er sich gibt, was ihn bewegt… und natürlich die ganz eigene Erotik, die du einem Schauspieler gegenüber hast. Man muss eine Erotik haben gegenüber einem, den man besetzt.
I. Sattes: Es gibt auch die Leute, die sich mit dir zwei Stunden unterhalten, über das Thema, über das, was sie interessant finden an einer Geschichte.
F. Krüger: Also über Inhalte zu reden finde ich oft einfach Quatsch, weil man sich ja dann trotzdem wieder so präsentiert, wie man sich gerne sehen würde. Es geht doch darum, sich abzuchecken. Das ist eine menschliche Kunst. Jemanden zu begreifen. Und ob ich über Brombeeren rede oder was ich gerne für einen Salat esse…
C. Hochhäusler: Ich glaube, was man braucht ist eine Form. Und die Form in einem Gespräch wäre, man redet über den Inhalt, auch wenn der Inhalt völlig Wurscht ist.
F. Krüger: Mit einer Frau, die ein hübsch und harmlos Cliché spielen soll: „was glaubst du, was findest du zu deiner Rolle?“ Vielleicht kann sie es sich nicht mal aussuchen, weil sie sagt, endlich hab ich mal eine! Oder kommt einer: „Du, ich hab da eine Rolle für dich, das ist eine Stück von Shakespeare, so ein junger, gefühlvoller Mann, interessiert dich das?“ Und ich sage: „Ach weisst du, son Mama-Pappa-Problem, du nee du, lass mal.“ So sieht es dann ja nicht aus, sondern ich sage: „Ah Hamlet! Oh! Ja!“ Und die reden trotzdem ernst mit mir. Da gibt man sich Halbwahrheiten und klopft sich auf die Schultern… Das finde ich unangenehm.
C. Hochhäusler: Aber deswegen finde ich ja so einen formalen Rahmen gut. Der beide schützt. Interessant dabei ist doch immer die Frage der Würde, wenn man das auf einen ganz hohen Nenner bringt. Und innerhalb so eines formalen Rahmens kann man eben auch innerhalb von Rollen agieren, das heisst, man kann professionell sein.
N. Wackerbarth: Ich hatte zuletzt ein sehr angenehmes Casting, so eine Mischung aus Gespräch und Lesen. Den Text hast du sicher vor Dir und kannst sehr klar zeigen, wie du die Rolle anlegen willst. Du bist sehr locker, weil du dich nicht im Raum bewegen musst, in irgendeinem grauen Büro, was mit dem Film überhaupt nichts zu tun hat. Es sind ja auch nie vernünftige Räume, ist ja auch ganz komisch, warum sind das eigentlich immer so seltsame Räume?
(Gelächter)
F. Krüger: Ob klare Form oder viel Spass oder was auch immer, du musst eben wissen, wie hol ich es aus den Leuten raus. Ein Besäufnis kann auch ein Casting sein.
ausbeutung. grenzen
F. Krüger: Dass man sich versteht und dass das Casting gut ist, hat aber noch überhaupt nichts damit zu tun, dass eine qualitativ gute Arbeit rauskommt. Ist ja die Frage, was du willst, und ob du das kannst. Das wäre die Kunst des Regisseurs. Vielleicht braucht man nur ein Gesicht, ein Model, eine schöne Frau, und wenn die gar nicht weiss, was sie tut, und ich das wunderbar finde; wenn ich die knallhart ausbeute, indem ich sie dahin führe, wo ich sie haben will…
C. Hochhäusler: Und das akzeptierst du einfach?
F. Krüger: Wieso ich? Ich muss das nicht akzeptieren, wenn ich einigermassen klug bin und das nicht will. – Es gibt einfach viele Schauspieler, die gerne Opfer sind, und sich kaum spüren, wenn sie nicht gequält werden. Und wäre ich ein Regisseur, würde ich das auch irgendwann mal durchschauen. Ich glaube nicht, dass ich da Spass dran hätte, aber so schön, wie wir uns das Formulieren, ist das gar nicht. Das ist der Beruf der Ausbeutung und des Darbietens, das ist unsere Kunst.
S. Terpoorten: Ja aber das ist ja ekelhaft.
F. Krüger: Ich bin einfach nicht sicher, wenn es um Qualität geht, dass es immer besser ist, wenn wir uns wohl fühlen oder wenn wir uns verstehen. Da müsste ich, wenn ich neutral bin, sagen, die Ausbeutung führt auch zu tollen Resultaten.
L. Tonke: Ich hab aber echt mal sowas erlebt. Das war ein 10 stündiges Casting, und ich fand, der hat uns richtig ausgenutzt. Okay, das muss ich ganz ehrlich sagen, an meine Grenzen geführt werde ich schon gerne. Wo ich dann so merke, ich will’s eigentlich nicht, aber er führt mich da immer wieder hin. Und dann merke ich, ich bin über die Grenze gegangen, ohne dass ich es wollte, aber am Ende bin ich zufrieden, weil das Ergebnis so toll war. Nur der hat mich und meinen Spielpartner, mit dem ich da wirklich 10 Stunden war, gegeneinander ausgespielt. Der hat mir was zugeflüstert, und ihm was zugeflüstert, sodass wir uns am Ende bestimmt anderthalb Jahre, immer wenn wir uns irgendwo getroffen haben, aus dem Weg gegangen sind.
C. Hochhäusler: Finde ich als Regisseur auch völlig illegitim. Egal wie gut der Film werden könnte.
N. Albrecht: Das finde ich aber eigentlich den spannenden Punkt, wie weit man als Regisseur gehen kann. Mir ist das persönlich total unangenehm, von jemandem etwas zu verlangen, wovon ich spüre, er will das eigentlich nicht. Aber dann hört man immer so… ja, das ist so toll, wenn man da in so Zustände gebracht wird, und über seine Grenzen hinaus wächst – ich weiss überhaupt nicht, wie das zu bewerkstelligen ist.
S. Terpoorten: Ja aber – Mann! Wenn du zufrieden bist, und da war weit und breit keine Grenze, dann ist das doch auch okay. Und wenn du nicht zufrieden bist, dann musst du mich nicht an meine Grenzen bringen, sondern musst mich über deine Grenzen mitnehmen.
N. Albrecht: Also im schlimmsten Fall ist es so: Ich komme, noch bevor ich zufrieden bin, an deine Grenzen als Schauspieler, und merke, hier geht’s nicht mehr weiter. Und dann tickt die Uhr, und ich weiss, in einer Stunde muss abgedreht sein. Und dann muss ich den Kompromiss machen.
S. Terpoorten: Ja genau. Da hast du entweder im Casting Mist gebaut, oder hast zu wenig mit mir geredet, oder zuwenig geprobt. Das sind deine Grenzen. Du kannst dann natürlich noch anfangen, den Typen zu quälen, aber das heisst ja immer noch nicht, dass das dann was wird, auch wenn’s oft versucht wird.
verantwortung. probe
C. Hochhäusler: Aber wenn man jetzt mal weiter geht, während des Drehs, angenommen man hat eine Rolle bekommen und spielt dann und sieht, die Arbeit wird schlecht. Was macht man dann? Wie verantwortlich kann ein Schauspieler sich verhalten, oder müsste er sich verhalten?
L. Tonke: Der Schauspieler ist für seine Rolle verantwortlich. Und er muss alles für seine Rolle geben. Und er muss sich mit dem Regisseur streiten. Jeden Tag, wenn’s sein muss.
I. Sattes: Das Problem ist ja, dass du das Ausmass dessen, wie es nachher wird, gar nicht erahnst, weil du ja nur ein Teil des Ganzen bist. Weil da nachher durch Schnitt und Musik und die Auswahl von Takes doch wahnsinnig viel verändert wird.
F. Krüger: Christoph, du fährst da so eine humanistische Nummer, und meinst, so muss es irgendwie mit den Schauspielern gehen. Und da frage ich dich, was heisst verantwortlich: soll ich mit dir übers Dekor reden? Dann kriegst du aber Ärger! Und dann, das Zweite: Lass mich bloss nicht in irgend einer Form moralisch sein! Das heisst in dem Moment auch: Hör auf, mein Freund zu sein, sondern benutze mich. Ich soll ja anbieten, ich soll ja erfinden. Also lass mir diese Möglichkeiten. Und richte mich nicht, sondern nimm dir, was du brauchst. Und lass mich dann auch unmoralisch sein mit jeder Faser und kindisch und zickig. Verstehst du, wie heikel das ist: Wenn der Schauspieler ein Angebot macht, was vielleicht der Spielpartnerin nicht passt, dann steht da das ganze Set und sagt, also so eine Sau, der nutzt es aber aus. Und deswegen musst du wahrscheinlich immer Alkoholiker sein oder schwer opiumsüchtig, damit du hier einigermassen nur dein Ding drehst und ein toller Schauspieler bist. Und da finde ich, muss man kucken, wie man ein Umfeld schafft, in dem der Schauspieler hoch unmoralisch sein kann. In dem er keinen Schiss zu haben braucht, sich vor allen zu blamieren, und dann immer den moralischen Background mitspielen muss, „ich bin ja gar nicht so“. Dann kann er dir nutzen. Das meine ich mit dieser Ausbeutung, und ich finde das gar kein so schlechtes Level.
N. Albrecht: Aber ist das nicht auch einfach eine Frage des Vertrauens zum Regisseur?
I. Sattes: Vertrauen entsteht ja nicht, indem du bei jemandem den Vertrag unterschreibst. Deswegen ist es auch im Theater eine andere Situation, weil du über drei Monate zusammen arbeitest, und es dir wirklich erarbeiten kannst. Du musst dich gegenseitig erfahren, und auch Konflikte haben und austragen und dann nachher weiter machen, um wirklich Vertrauen zu haben. Oder so Momente, wo du kämpfst und sagst: ich will noch eine andere Version. Und der Regisseur gibt dir die Variante, weil er dich ernst nimmt.
N. Albrecht: Ja aber dann wäre es doch ideal, wenn man vor dem Dreh proben würde.
Durcheinander: Sowieso!
F. Krüger: Das ist eure Chance und unsere! Sonst kommt der Brei den jeder kann. Es gibt Schauspieler, die toll sind, die das aber nicht so zack produzieren können, die jungen zum Beispiel. So eine Seele auszuleiern braucht auch ein paar Jahre.
C. Hochhäusler: Also meine bescheidene Erfahrung auf diesem Gebiet war die: Wir haben manchmal so Schauspielübungen gemacht, und haben einmal versucht, drei Tage lang, in einer längeren Szene ganz genau den Punkt zu finden, wo sie spannend ist, und wir sind an einen Punkt gekommen, wo’s einem kalt den Rücken runter lief. Es war wirklich gut. Dann haben wir am nächsten Tag versucht, das zu drehen, und es war völlig unmöglich, es wieder herzustellen.
I. Sattes: Um diese Hürde zu nehmen, musst du als Regisseur irgendwas Neues dazu geben was die Schauspieler stimuliert, und sozusagen über dieses Neue wieder diese Ersterfindung möglich machen.
S. Terpoorten: Das musst du doch als Schauspieler auch können!
F. Krüger: Natürlich kannst du Profi sein und das dann trotzdem gut machen. Aber sobald du etwas reproduzieren musst, was einmal gut war, wirst du einer Schablone hinterher rennen.
N. Wackerbarth: Ich habe jetzt gerade die Hauptrolle in einem Kinofilm zwischen 4 Freunden gespielt. Da war’s extrem gut zu proben. Wir sind einfach eine Woche zusammen rumgehangen und haben uns irgendwelche Sprüche ausgedacht. Die Liebesszenen in dem Film allerdings haben wir gar nicht geprobt, sondern nur gelesen. Der Regisseur musste das gar nicht anleiten. Es war viel besser, dass wir da noch eine Distanz hatten, das haben wir instinktiv völlig richtig gemacht. Beim Film hast du eben die Möglichkeit, mit dem ersten Moment zu spielen. Auf diesen zu setzen. Ich sage nicht, dass ein Schauspieler nicht wiederholen können muss, meistens muss er das ja sowieso, das Licht stimmt dann nicht usw., aber es gibt immer die Chance. Und da muss der Regisseur, und vor allem der Schauspieler genau wissen, welche Szenen es sind und welche nicht, bei denen er sagt: pass auf, vertrau mir, ich habe mir da eine Geschichte überlegt, ich glaube, das kann ich. Ich habe das oft gesagt, bei bestimmten Szenen, das will ich nur einmal und nur am Set so machen. Das wurde vom Regisseur auch immer akzeptiert, und hat dann auch gut funktioniert.
F. Krüger: Was mir manchmal an Regisseuren fehlt, ist, dass sie eine Art Künstler sind, die auch zusammenfassen… die aus dem, was passiert, etwas entwickeln können. Nicht nur der Vorlage hinterher rennen und versuchen, die rein zu kriegen.
I. Sattes: Das verlangt aber schon eine sehr offene Form, und das widerstrebt eigentlich all dem, was beim Film so normal ist, man schreibt ein Drehbuch, man gibt es ein – und dann zu sagen, okay, da passiert jetzt aber was anderes…
recherche. besetzung
N. Albrecht: Was mir im deutschen Fernsehen auffällt, da spielen Leute Ärzte, oder Psychoanalytiker, oder Arbeiter, und man spürt einfach, die wissen nicht, wie man das macht. Die sind nicht zur Müllabfuhr gegangen und haben das einfach mal zwei Tage geübt. Ich hab mal im Theater gearbeitet, und da hat der Regisseur gesagt, wenn du deine Hausaufgaben nicht machst, kannst du nach Hause gehen. Kann man das verlangen? Von einem Schauspieler, zu sagen, du spielst jetzt jemanden von der Müllabfuhr, du gehst jetzt einen Tag mal dahin…
F. Krüger: Das macht meinen Spass aus. Aber ich erlebe oft, das die Regisseure der Gewandtheit der Schauspieler unterliegen, dass sie den Blick selber gar nicht haben. Da kommt dann einer, und hat so immer den Jazz im Finger, und das gefällt einem dann. Oder er macht Sätze, und tut immer ein „Und“ ans Satzende hin, weil — das immer so tönt, als ob er noch was sagen wollte, und — das kommt ganz gut. So redet kein Prolet oder so, aber es tönt viel schicker, so wie wir es von der Glotze her kennen. Und der Regisseur merkt das permanent nicht. Ich meine, das ist schon auch die Kunst: hinzukucken. Schauspieler fangen immer gleich an, flott und cool zu sein. Und spielen dir dann so vor der Nase rum.
S. Kutzli: Genau. Da kommt nämlich jetzt der Punkt, wo du als Filmemacher damit anfängst, die Realität mit rein zu nehmen. Also wenn ich eine Maschine zeige, und einen Schauspieler dran stelle, sieht jeder auf der Stelle, dass dieser die Maschine nicht kennt. Versuch mal einen Schrauber zu spielen, der jeden Tag Autos auf macht. Wie weit geht da bei euch der Ehrgeiz, sowas dann auch verkörpern zu können? Ist die Konsequenz für mich, dass ich mir dafür Originale, also Laien holen muss, oder seid ihr auch bereit…
I. Sattes: Wenn ich eine Rolle kriege, und sei’s eine Kellnerin, und ich hätte noch nie gekellnert, dann ist das für mich als Profi doch völlig klar, wenn es eine Szene gibt, wo ich gezeigt werde, dass es so aussieht, als würde ich das jeden Tag machen.
S. Terpoorten: Ich setze aber als Schauspieler auch voraus, dass du meine guten Momente an der Maschine erkennst und auswählst, und nicht die, in denen jeder den Unterschied zum Originalmann sieht.
C. Hochhäusler: Aber die Frage kommt ja nicht aus dem Ungefähr. Also ich sehe das sehr oft, dass Leute eben nicht recherchieren…
N. Wackerbarth: Es ist ja noch ganz anders! Erstens, wird es gar nicht eingefordert. Wenn du sagst, du machst einen Film an einer Maschine, dann sagt der Schauspieler, okay, ich muss diese Maschine beherrschen, und wenn er nicht völlig unbegabt ist, wird er sich Tricks ausdenken, dass es gut aussieht. Beim Fernsehen ist es aber so, dass du dich sehr gut vorbereitest, um dann völlig enttäuscht wieder nach hause zu gehen. Was du dir erarbeitet hast, kommt in dem Film überhaupt nicht vor, das interessiert überhaupt nicht. Die zeigen ja gar nicht, wie ein Arzt sich da wirklich individuell bewegt, die wollen genau das Gegenteil. Die wollen ein Klischee. Damit es leicht konsumierbar ist. Das ist eine Industrie, die haben wenig Zeit, und nach dem fünften Mal denkst du dir, naja gut, sie wollen es sowieso nicht sehen. Wenn ein Regisseur einem Schauspieler konkret ansagen kann, was er will, und man hat das Gefühl, der weiss wirklich, was er will, und der gibt mir vor allem in dem Film den Raum, wirklich meine Griffe an der Maschine zu zeigen, und es ist nicht nur so eine Idee, die dann rausgeschmissen wird, dann wird das ein Schauspieler sofort recherchieren!
bessere filme
C. Hochhäusler: Die Frage ist eben: wieweit seid ihr beteiligt an diesem Prozess, interessantere Filme, jetzt nur als Beispiel, in Deutschland her zu kriegen.
F. Krüger: Das ist nicht unsere Aufgabe. Ihr müsst euch Gedanken machen, und wir spielen das.
N. Wackerbarth: Ich verstehe meinen Beruf vollkommen anders. Diese Verantwortungslosigkeit, die Schauspieler manchmal annehmen, das gehe sie alles gar nichts an, ich bin in meinem geschützten Rahmen und spiele nur meine Rolle… Ich finde es viel kraftvoller und wichtig, wenn da mehr passieren würde. Viele Schauspieler in den USA schreiben zum Beispiel Drehbücher, weil sie Charaktere gut erkennen, sich Situationen…
F. Krüger: Davor graut mir.
N. Wackerbarth: Ich sag ja auch nicht, dass jeder unbedingt was schreiben soll. Aber du merkst doch auch, wenn du einen guten Schauspieler besetzt, wie der einen Film hochziehen kann. Also ein besonderer Schauspieler in der Hauptrolle kann den Film schon sehr zusammenbinden. Und wenn du dazu ein gutes und gutgeführtes Ensemble hast, dann kannst du, selbst wenn das Drehbuch nicht so toll war, immer noch einen schönen Film hinkriegen. Das ist möglich.
F. Krüger: Weisst du, was meine Frage ist? Ihr vergesst immer… wie sieht denn mein Tag aus: Ich gehe morgens zur Probe oder ins Casting oder ans Set, also einen Raum, der nichts mit Realität zu tun hat, erst mal. Und wenn ich mein Geld gut verdienen will, und meiner Frau und meinen Kindern ein gutes Leben ermöglichen will, dann bin ich permanent in diesen Bereichen. Wann gehe ich denn mal in die Garage und schraube! Es sei denn, ich habe ein Hobby. Was kann ich da erzählen? Ich erlebe so schon permanent Schauspieler, die mir das Leben erklären, und ich sehe nur, sie erklären mir das Leben aus der Sicht eines Schauspielers, der permanent in diesen Kunsträumen, in seinem Business ist.
S. Kutzli: Das könnte ja ein Beitrag für bessere Filme sein: mit der Welt „draussen“ in Kontakt bleiben.
C. Hochhäusler: Ich finde ja auch, Regisseure müssen gross und stark sein und alles wissen, aber gleichzeitig glaube ich, wenn man den deutschen Film als in der Krise befindlich beschreiben will, was ich durchaus tue, und man dann fragt, warum ist das so, dann hat das mit dem ganzen Umfeld zu tun. Mit der Kommunikation. Mit den Zuschauern genau so wie mit den Autoren, den Regisseuren usw. Und das ist ja auch letztlich unser Anliegen, mit dieser Zeitschrift. Man muss sich vernetzen, und man muss zusammenarbeiten. Alle, die in Europa heute gute Filme machen, machen sie in „Familienstrukturen“. Almodovar, Lars von Trier usw. Das ist kein Zufall, dass die gut arbeiten.
I. Sattes: Es gibt doch ganz verschiedene Gründe, in diese Berufe zu gehen. Es gibt Leute, die das Handwerk lernen wollen, und ihr Handwerk zu Diensten stellen wollen, egal wer da kommt, auch Regisseure und Autoren. Und es gibt andere, und da zähle ich mich auch dazu, die ein Gefühl haben für das, was sie vom Leben oder der Kunst wollen, und mit diesem Beruf da hin wollen. Also mindestens zwei verschiedene Ansätze. Und Familien können sich ja nur bilden, wenn du dich über eine gemeinsame Vision findest.
S. Terpoorten: Ja aber weisst du, ich finde es wirklich falsch, diesen Beruf zu machen, um irgendwie eine Familie oder Freunde zu finden, das finde ich ganz falsch.
S. Kutzli: Ich glaube, das Missverständnis ist, dass es bei so einer „Familie“ nicht darum gehen kann, ein persönliches Manko aufzufüllen, im Gegenteil: Es geht darum, dass du halt Leute findest, mit denen du über deinen Beruf ein Leben in Gang halten kannst, mit denen du eben klar kommst. Du kommst hin, und fühlst dich in einer Form zu hause, wo du dich nicht ständig rechtfertigen musst, sondern auf eine ganz natürliche Weise und aus durchaus auch professionellem Interesse aneinander gerne zusammen bist, ohne dich gegenseitig platt zu machen.
C. Bode: Für mich wäre das auch eher ein „Netzwerk“. Das wäre auch, was ich letztendlich suche, und weshalb ich jetzt auch diesen anderen Weg durch die Produktion gehe, und Regieassistenzen mache, und viel über Drehbücher rede mit allen möglichen Leuten, weil ich das, was ich an der Schauspielerei liebe, ich liebe Filme und Theater über alles, für mich umsetzbar in Deutschland nicht finden konnte bisher. Mein Traum wäre eben, durch so ein Netzwerk unabhängig zu werden von den Systemen hier.
S. Terpoorten: Ich finde diesen Gedanken sehr schön, ich finde das schon okay. Aber wenn du das konsequent weiterführst, landest du letztendlich da, wo das Geld sitzt, in der Produktion. Und da kannst du so viel Freund sein wie du willst, da können sich alle verstehen, da kommt dann doch ein Produzent und sagt nein.
C. Bode: Natürlich musst du die Produktion selber in die Hand nehmen.
S. Terpoorten: Genau. Aber kannst du sagen, ich mache Produktion, und gleichzeitig auch Schauspiel?
C. Bode: Werden wir sehen.
C. Hochhäusler: Der Punkt ist auch nicht Harmonie unbedingt. Der Punkt ist eigentlich, dass man nicht so viel Kraft verliert. Nur als Beispiel: Ich mache grade meinen Debutfilm, ich muss all diese Leute kennen lernen, das ganze Team zusammen stellen – ich wehre mich gar nicht, es macht Spass. Aber es ist unglaublich anstrengend! Und wenn ich mir vorstelle, bei dem nächsten Film geht das genauso noch mal bei Null los, was für eine wahnsinnige Energieverschwendung! Wenn das eine schon viel mehr formierte Gruppe wäre, dann würde ich nicht so viel Kraft verlieren, und ich könnte doppelt so schnell, und doppelt so radikal arbeiten. Und darin liegt diese Chance.
F. Krüger: Aber sag mal, „der deutsche Film in der Krise“: Ist denn das nicht eben diese grosse Familie? Die verstehen sich doch alle prima.
C. Hochhäusler: Aber es ist eine Zwangsgemeinschaft.
F. Krüger: Und warum geht ihr dann nicht, und macht in Afghanistan und Tadschikistan irgendwie Filme? Warum macht ihr sie hier, wo sich das scheinbar eingependelt hat? Was will denn meine Mutter sehen: Gudrun Landgrebe, wie sie die Frau eines Arztes spielt! Eure Ideen finde ich eigentlich klasse. Aber wenn das ein Anliegen wäre, wirklich Geschichten zu erzählen, und sich zu befreien eben auch von müden Schauspielern. Die sind eben nicht alle Schreiber und Persönlichkeiten, sondern oft einfach Déformés Professionnels in ihrem Gebiet. Was sie dir als Natürlichkeit anbieten, ist das, worauf sich die Zuschauer eingelassen haben. Wovon die sagen, das ist es. Die sind alle eingespielt. Da hast du einen Haufen Meinungen, die sich einschleifen, die sich dann verstehen, und dann hast du eben die Familie.
für dich
S. Kutzli: Fabian, du redest manchmal wie ein Soldat, der einfach in der Reihe steht und die Sachen macht, die von ihm erwartet werden.
F. Krüger: Ich bin das Gegenteil. Deswegen kann ich das ja, etwas spielen, etwas verkörpern. Weil ich mich in den Dienst einer Vision stellen kann. Ich versuche, den Regisseur zu lieben, dafür tu ich die Dinge. Und für das Werk, das er will. Nicht, wie klar mir das ist, sondern es geht darum, was tut er, was investiert er alles dafür. Wie genau ist er in dem, wie viel weiss er über sich Bescheid und über zwischenmenschliche Mechanismen. Soll ich denn dir sagen, wie ich das gerne habe, oder soll ich deinen Film und deine Vision gut spielen? Ich kann da doch nicht mein Eigenes hinstellen, das ist doch der Widerspruch.
N. Wackerbarth: Ich habe als Regisseur immer eher versucht, jemanden zu treffen, der das noch in eine völlig andere Richtung bringen kann, oder das noch viel mehr ausweiten kann, vielleicht in etwas, woran ich überhaupt nicht gedacht hatte. Das ist doch das, was mich interessiert. Daran wächst die Arbeit.
F. Krüger: Damit widersprichst du mir nicht wirklich.
N. Wackerbarth: Ich werde oft gefragt, ja, spielst du denn selber auch deine Rollen? Die Verlockung ist natürlich wahnsinnig gross. Das hab ich ja selber geschrieben, da weiss ich natürlich genau, was der ist. Ich hab’s noch nie gemacht. Es gibt ja auch Genies und so, aber für mich… wenn du auf den Schauspieler triffst, erfindet der so viele Sachen, oder reagiert und sagt, das ist ja komisch, das funktioniert irgendwie nicht. Und das ist doch die Aufgabe eines Schauspielers. Das Konstruierte zum Leben zu erwecken. Ich leide eher darunter, wenn ich nicht sehe, was die Schauspieler wollen. Wenn sie zum Beispiel keine Genauigkeit in den emotionalen Vorgängen haben. Oder keinen Mut haben, da auch mal was anderes entgegenzusetzen; das Drehbuch nicht bloss wörtlich nehmen, sondern ergänzen. Dass sie die Räume hinter den Wörtern noch mal ausweiten. Das sich da viel überlegt wird, und dass das eingefordert wird, auch von mir, wenn ich selber spiele, das vermisse ich.
I. Sattes: Aber letztendlich muss der Autor auswählen, oder der Regisseur, und das Ganze bündeln, und dann bei der Arbeit gibt’s auch keine Diskussionen mehr.
N. Wackerbarth: Du musst ja nicht darüber reden! Aber du sollst es natürlich zeigen! Und wenn es das unbewusste Ergebnis deiner Überlegungen und deiner Suche ist!
für mich
S. Kutzli: Wie macht ihr denn das ganz praktisch? Fabian, du stellst dich ja quasi in die zweite Reihe. So wie du das formulierst, heisst das, du bist immer davon abhängig, dass einer von uns kommt und etwas anfängt, damit du da mitmachen kannst.
L. Tonke: Genau deswegen reicht es mir grade mit dem Schauspiel, weil ich keine Lust mehr habe, immer diejenige zu sein, die irgendwie wartet, und diejenige zu sein für die sich jemand entscheidet. Ich probiere grade wirklich mit aller Macht, das komplett umzudrehen. Das fängt damit an, dass ich endlich mal die ganzen guten Bücher, die ich über die Jahre zugeschickt bekommen habe, die nie realisiert wurden, dass ich endlich mal zu diesen ganzen Produzenten, die man dann doch irgendwie kennt, hingehe: Hier! Hier ist doch eines! Jetzt mach’s doch mit mir! Das ist meine Rolle, die will ich haben! Jetzt kümmer dich mal darum! Du hast es mir angeboten! Was realisiert wird, ist oft der absolute Mist. Okay, man muss es dann scheinbar doch selber in die Hand nehmen.
S. Kutzli: Ich definiere mich als Regisseur eben auch so, dass das nur eine Funktion ist, nur ein Beruf. Ich kann nun mal nicht so gut spielen, oder so wahnsinnig gut rechnen, ich kann vielleicht nichtmal so wahnsinnig gut schreiben. Aber ich kann gut mit Menschen umgehen, vermitteln, ich kann merken, ob’s ihnen gut geht, ich kann sie zusammensetzen, ich kann erkennen, wer welche Stärke hat und wie und wo sie in dieses Projekt reinpassen. Und das ist zum Beispiel eine Funktion, die du unbedingt brauchst, diesen Wahnsinnsapparat mit seinen ganzen Puzzleteilchen dann doch irgendwie am Laufen zu halten. Und deswegen sind wir natürlich eher mal die, die tatsächlich was ins Rollen bringen. Es ist aber auch die Tradition! Und die Regisseure sind dann auch immer gleich so die Bewunderten, so die kleinen Götter, dabei sind sie wie Frösche im Teich, ohne ihr Team. Wenn du, Fabian, sagst, du versuchst den Regisseur zu lieben, was für eine Ehre, ich bin da völlig verlegen.
(lachen)
F. Krüger: Nee, das ist gar nicht lustig, das ist was ganz Konkretes. Was ein anderer eben nicht macht. Ich sag da: Fabian, zwar willst du das nicht so spielen, aber das interessiert dich jetzt nicht. Weil du sein Ding machen willst. Da bin ich meinetwegen wie ein Soldat. Für mich heisst das aber, genau zu verstehen, was du brauchst, damit du agieren kannst. Das ist, finde ich, die grosse Kunst. Deshalb finde ich aber auch die Bedingungen, die ihr für uns aushandelt, nicht unwesentlich.
C. Hochhäusler: Deshalb finde ich interessant, wenn Laura sagt, sie hört auf, jeden Schrott zu spielen. Wie lief das bisher mit den Büchern, die du zu Produzenten schleppst, wie ist deine Erfahrung?
L. Tonke: Das stellt sich grad noch raus… Für mich sieht es im Moment so aus, als waren das alles leere Versprechungen, dass mir gesagt wurde: „Komm mit einem Buch, und wir machen das zusammen …“
S. Terpoorten: Wie verdienst du dein Geld?
L. Tonke: Ich job dann halt. Ich meine, das war eine ganz bewusste Entscheidung, ich sag halt, ich bin unglücklich, wenn ich was drehe, von dem ich von vornherein weiss, dass es schlecht ist, was ich selber nicht ankucken will. Und ich bin dann auch schlecht, das kommt noch dazu, und dann drehe ich halt lieber ein Jahr nicht. Das kann ich mir natürlich auch nur erlauben, weil ich keine Familie habe wie du. Dafür muss ich dann halt auch meinen Lebensstandard runterschrauben, aber ich tu jetzt nicht so: „Ich krieg immer nur das und das angeboten“. Ja, machs halt nicht, wenn du’s nicht magst.
F. Krüger: Ich muss sagen, Hut ab, dass Laura das Gleiche macht wie ein Star: Ich wähle aus. Das ist die Persönlichkeit, die das macht. Dafür muss man sie eigentlich auch sofort belohnen und ihr die Hauptrolle geben, nur mal, dass das klar ist hier, falls aus euch mal was wird… Aber eigentlich ist das schon unser Beruf, und da will ich auch keinen Vorwurf – ich will mich als Schauspieler schon so erklären, dass ich nicht das bewerte, was ich tue, sondern dass ich das gut tun will.
N. Wackerbarth: Es ist doch völlig Wurscht, ob der Schauspieler da irgendeinen Dreck kurz mal spielt. Wenn er da Bauchschmerzen kriegt, dann soll er’s nicht machen. Ich hab auch schon viele Sachen abgelehnt, andere nicht, da gibt’s doch keine moralische Instanz.
C. Hochhäusler: Nein, es geht nicht um Moral, aber es geht um Qualität.
F. Krüger: Mann muss auch Respekt davor haben, dass das weh tut, nichts zu haben, nichts zu kriegen. Das ist nicht geil, das ist grauenhaft. Und das Problem ist, dass es dich einfach verändert. Da kommt dann einer, und sagt dir irgendwas, und du glaubst es ihm! Weil du schon so demoralisiert bist. Wirtschaftlich gesehen, finde ich das sehr verwöhnt, da einen ehrenamtlichen Aspekt mit rein zu bringen. Wer kann denn das schon! Ich muss schon auch sagen: wenn du im Business nicht sein kannst, zieh dich lieber zurück und mach was Eigenes, bevor es dich kaputt macht. Aber Wertigkeiten zu erstellen heisst natürlich immer, über die hinweg zu gehen, die sich das kaum leisten können.
C. Bode: Ich hab durch Schrottdrehs in drei Tagen ein Geld verdient, von dem ich die nächsten zwei Monate leben konnte. Dadurch konnte ich für einen Praktikantinnenlohn in dieser Filmproduktion anfangen, und hab mir damit, sagen wir mal, meinen anderen Traum überhaupt erst möglich gemacht. Kellnern gehen dann irgendwann wieder, nachdem du schon als Schauspielerin gearbeitet hast oder in einer Filmproduktion, ist ein Schritt, durch den der Stolz schon auch schwer angeknackst wird.
L. Tonke: Es gibt einfach verschiedene Stufen. Ich kann’s mir eher leisten, zu kellnern, als eine Serie zu drehen. Ich hab was zu verlieren! Das ist bei mir grade der Fall. Das war vor drei Jahren auch noch anders.
C. Hochhäusler: Es geht um die Kontrolle deines Bildes. Du bist ja auch ein öffentliches Bild, im weitesten Sinne… Mir geht es sehr oft so, im deutschen Fernsehen, dass du Gesichter nicht mehr sehen kannst. Das ist jetzt eher das Problem von Überbeschäftigung, aber es ist der gleiche Aspekt. Wo ich plötzlich von Schauspielern sage, die kann ich im Kino kaum mehr einsetzen. Die haben diese Kostbarkeit nicht mehr.
N. Wackerbarth: Da würde ich dir vollkommen widersprechen! Das ist die Frage, wie du sie inszenierst. Auch mit Schauspielern, die sehr viel im Fernsehen gespielt haben: wenn du sie gut inszenierst, kannst du einen ganz neuen Raum eröffnen, wenn du das erfindest für sie!
F. Krüger: Ausserdem könnt ihr euch genauso zu billig verkaufen. Wo ich frage, wer sitzt denn da in der zweiten Reihe! Wenn ihr es schafft, möglichst viele Filme so zu machen, wie ihr sie gut findet, und uns damit Jobs zu geben, dann wird’s Lustig. Aber das heisst eben auch, sich mit den Geldfritzen rum zu schlagen. Euch auch mal gegen das nackte Geld für einen Schauspieler grade zu machen oder so.
Das Gespräch führten Nicolai Albrecht, Christoph Hochhäusler und Sebastian Kutzli am 11.04.2002 in Berlin. Bearbeitung: Sebastian Kutzli.
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