Interview: Doris Dörrie
Revolver hat Doris Dörrie zu ihrem aktuellen Projekt befragt, einem Spielfilm, der von zwei deutschen Brüdern handelt, die beschließen, nach Japan in ein Zen-Kloster zu gehen, sich auf dem Weg dorthin aber in Tokyo verirren. Der Film wird von Megaherz (München) produziert, soll auf DV gedreht und dann auf 35 mm aufgeblasen werden. Das Team wird aus fünf Leuten bestehen, Regie, Kamera, Ton, Regieassistenz und Aufnahmeleitung. Die Brüder werden von Uwe Ochsenknecht und Gustav Wöhler gespielt.
Revolver: Wieso ein so kleines Projekt?
Dörrie: Mein letzter Film (‚Bin ich schön‘, demnächst im Kino) war ein 10 Millionen Schinken, das war mein bisher größter Film in Deutschland, und da wollte ich sehen, wie klein kann ich werden. Den Kick habe ich bei meinem letzten Dokumentarfilm gekriegt (‚Augenblick‘, November 96). Da habe ich 60 Minuten mit 2500 DM Handkasse gedreht und hatte nach zwei Wochen mit fünf Stunden Dreh pro Tag immer noch 500 DM über. Daß ich dann nachher 100 Minuten für 10 Millionen gedreht habe, das ist irgendwie schon ein komisches Verhältnis. Den Dokumentarfilm haben wir mit so einer stinknormalen Amateur-Sony gedreht. Da waren wir natürlich sofort nur noch Touristen. Aber als “Touristen” sind wir in Situationen geraten, in die man sonst nicht rein kommt. Die Versuchsanordnung jetzt ist also: Als Tourist Spielfilm machen.
Es hieß, du wolltest das Drehbuch erst unterwegs schreiben, so von Tag zu Tag jeweils.
Ja. Aber wir haben natürlich trotzdem recherchiert. Recherche am eigenen Körper sozusagen. Wir waren mit dem Team im Kloster. Nur der Tonmann war nicht dabei. Wir haben mit den Mönchen gelebt und auch wie sie gelebt. Ein Drittel des Films spielt ja nur im Kloster, und die anderen Drittel sind der Weg. Wir hatten zwei DV-Kameras als Notizbuch, ich habe meine Ideen oft direkt darauf gesprochen, wie auf ein Diktiergerät, der Kameramann hatte die Zweite und hat halt schon mal ausprobiert, wie es vielleicht aussehen könnte. Was ich jetzt hier in München schreibe, sind stationäre Situationen, also die, die auf jeden Fall in der Geschichte vorkommen werden. Dann gibt es Orte und Situationen und auch Menschen, also Schauspieler, die dann noch dazukommen sollen, wo ich mir aber die Freiheit vorbehalten will, spontan darauf reagieren zu können. Dafür schreibe ich aber auch Dialoge, einfach für den Fall, daß wir plötzlich nichts haben, daß uns nichts mehr einfällt. Da gibt es zum Beispiel diese Spielhöllen, da werden sie reingehen, die Beiden und wir mit, und dann werden wir schauen, was passiert. Und wenn nichts passiert und uns nichts einfällt, dann können wir auf die mitgebrachten Dialoge zurückgreifen. So sind aber auch völlig ungeplante Sachen möglich.
Und mit Digital Video bist du zufrieden?
Wir haben natürlich Tests gemacht und variieren sie ständig, um noch neue Möglichkeiten zu finden. Die Frage ist, wie weit können wir das Material ausreizen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Wenn das Fernsehen zum Beispiel unbedingt in Farbe ausstrahlen will, können sie das machen und wir können im Kino trotzdem Schwarzweiß zeigen. Ich habe einmal für eine Erinnerungssequenz Super 8 benutzt, weil mir DV einfach zu gut aussah. Aber Super 8 kannst du fast nicht mehr machen. Bis du eine Kamera kriegst, die was kann! Und du hast auch keine Auswahl mehr beim Material.
Wieviel wird das Japan-Projekt kosten?
Wir haben ein kleines Budget, 1,5 Millionen. Der Dreh selber wird – absichtlich – sehr billig werden. Wir sind sogar alle an der Produktion beteiligt, also alle kriegen nur kleine Grundgagen, sind aber am Gewinn beteiligt, mit so einem Punktesystem, und je nach Zeitaufwand. Was teuer sein wird, ist die Nachbearbeitung. Das muß natürlich besonders gut sein. Eine gute Mischung, viel viel Zeit für den Schnitt. Und der Formatwechsel kostet natürlich auch was bei 90 Minuten.
Mit Doris Dörrie telefonierte Sebastian Kutzli
am 29.05.98