Unser Heft 50 ist gerade frisch aus der Druckerei eingetroffen. Darin auch das Interview mit Sohrab Shahid Saless von 1977 "Stilles Leben in der Fremde", wiederabgedruckt im dreibändigen Werk "Die langen Ferien des Sohrab Shahid Saless. Annäherungen an ein Leben und Werk" von Behrang Samsami. Am 28. Juni 2024 wäre Saless achtzig geworden. Ein Gastbeitrag zum Anlass.
REVOLVER LIVE! (62): JÜRGEN JÜRGES – ZUGEWANDTE ZEUGENSCHAFT
Jürgen Jürges (*1940 in Hannover) gehört ohne Zweifel zu den größten Bildgestaltern des europäischen Kinos; gleichzeitig ist er dem breiten Publikum weitgehend unbekannt. Das hat mit seiner leisen Art zu tun, aber womöglich auch mit der ungewöhnlichen Vielfalt seiner Filmographie. Jürges war nie einer, der sich auf Markenzeichen hätte festlegen wollen, immer wieder hat er sich auf neue Setzungen, Sichtweisen und Erzählstile eingelassen. Von Rainer Werner Fassbinder (mit dem er vielfach zusammen gearbeitet hat, darunter bei Angst essen Seele auf und Fontane Effie Briest) bis Michael Haneke (u.a. Funny Games und Code Inconnu), von Wim Wenders (In weiter Ferne so nah!) bis Uli Edel (Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo), von Tankred Dorst (Eisenhans) bis Ilya Khrzhanovsky (Dau), von Roland Klick bis Andreas Kleinert, von Helma Sanders-Brahms bis Robert van Ackeren usw. Was die Arbeiten bei aller Unterschiedlichkeit verbindet ist vielleicht so etwas wie eine zugewandte Zeugenschaft, ein dokumentarisches Ethos, das die Fiktion durchdringt und beglaubigt. Wir freuen uns, mit Jürges am konkreten Beispiel einiger ausgewählter – und stilistisch höchst unterschiedlicher – Projekte über seine Arbeitsweise(n) zu sprechen.
– Christoph Hochhäusler, Nicolas Wackerbarth
Am Sonntag, den 07.04.2024 um 14 h im Diagonale Forum (Heimatsaal im Volkskundemuseum Graz) im Rahmen der Diagonale.
P.S.: Zwei Filme, die Jürgen Jürges fotografiert hat, werden außerdem in voller Länge auf Leinwand zu sehen sein, projiziert von 35 mm: am 06.04.2024 um 17:30 Uhr h CODE INCONNU (Regie: Michael Haneke, 2000) im Rechbauer-Kino, sowie am 07.04.2024 um 11 h EISENHANS (R: Tankred Dorst, 1983) im Schubertkino 1, den Jürges zu seinen persönlichen Lieblingsfilmen zählt.
Jürgen Jürges
Geb. 1940 in Hannover. 1961 Photografische Ausbildung an der Letteschule in Berlin. Diplom. Bis 1963 Kameravolontär bei Hans-Jürgen Pohlands „art film GmbH“. Ab Mitte der 1960er Jahre Kameraassistent u.a. bei Volker Schlöndorffs Der junge Törless (1966) und Mord und Totschlag (1967). Ab 1970 als Chefkameramann tätig. Er arbeitet in Folge mit einigen der wichtigsten Vertreter des Neuen Deutschen Films (Rainer Werner Fassbinder, Reinhard Hauff, Wim Wenders, Helma Sanders-Brahms). Filme wie Die Zärtlichkeit der Wölfe (Uli Lommel, 1973), Angst essen Seele auf (RWF, 1973), Fontane Effi Briest (RWF, 1974), Satansbraten (RWF, 1975, nur 1. Drehabschnitt), Paule Pauländer (Hauff, 1976), Deutschland bleiche Mutter (Sanders-Brahms, 1980) entstehen in der Zeit. Deutscher Filmpreis / Beste Kamera 1980 für die Arbeit an Kückelmanns Die letzten Jahre der Kindheit (1979). In den 1980er Jahren fächerte sich Jürges‘ Kameraarbeit noch weiter auf: Von Uli Edels Reportage-Reißer Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (1981), über die große Künstlichkeit in Robert van Ackerens Beziehungsdrama Die flambierte Frau (1983), zu Arend Agthes impressionistischen Kinderabenteuerfilmen Flußfahrt mit Huhn (1985) und Der Sommer des Falken (1988) oder auch dem Schimanski-Kinofilm Zahn um Zahn (Hajo Gies, 1985). 1986 Deutscher Kamerapreis für das Fernsehspiel Die Wupper (Regie: Jürgen Flimm) sowie 1988 für Eisenerde Kupferhimmel (Regie: Zülfü Livaneli). 1994 Deutscher Filmpreis / Beste Kamera für In weiter Ferne, so nah! (Regie: Wim Wenders), 1999 für Wege in die Nacht (Regie: Andreas Kleinert). Mit Michael Haneke: Funny Games (1997), Code inconnu (2000) und Wolfzeit (2002). Im Rahmen von Ilya Khrzhanovskys monumentalen Dau-Projekt entstehen über einen Zeitraum von 10 Jahren mehr als ein Dutzend Spielfilme, für die Jürges die Bildgestaltung übernimmt, darunter Dau: Natasha, für den er 2020 einen Silbernen Bären für die beste Kamera gewinnt. Im Rahmen der Bild-Kunst Kameragespräche wurde Jürges im März 2016 der 16. Marburger Kamerapreis für herausragende Bildgestaltung im Film verliehen. Den Deutschen Filmpreis für sein Lebenswerk erhielt er 2022.
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