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Als ich anfing, mich für Film zu interessieren, gab es niemanden in Europa, dessen Prestige größer war als das Federico Fellinis. Kritik und Publikum schienen einig, dass dieser Mann „das Kino selbst” sei, und auch wenn das Spätwerk weniger Stimmen auf sich vereinen konnte als die ersten 8 1/2 Filme, blieb er doch ein Gigant, dessen Drehbücher, Memoiren und Skizzenbücher man im filmbucharmen Deutschland überall kaufen konnte. Noch als die ersten Multiplexe gebaut wurden, hiessen die hässlichen, hauseigenen Bars gerne „Fellini” oder „Cinecitta”; auch dort also, wo man seine Filme nie zeigen wollte, schmückte man sich gerne mit seinem Namen. Casaros Kitsch-Paraphrase von Rafaels „Schule von Athen”, die Fellini als Meister aller Klassen zeigte, der die größten (amerikanischen) Stars mit Megaphon in Schach hielt, muss sich damals blendend verkauft haben. Als „Mr. Cinema” dann starb, fragten sich manche im deutschen Feuilleton ernsthaft, ob damit auch das Kino zu einem Ende gekommen sei. Nun, diese Frage hat sich erledigt, und Fellinis Ruf ist, scheint mir, seither im Sinkflug begriffen, was sich vielleicht am klarsten am Misserfolg seiner „Erben” zeigt. Peter Greenaway, Terry Gilliam und Emir Kusturica verkörperten eine Weile höchst erfolgreich bestimmte Aspekte eines felliniesken Kinos, irgendwo zwischen Bilderzirkus und Kinomärchen – und wirken heute reichlich anachronistisch. Greenaway, gefeierte Ikone des referenzgesättigten Konzeptfilms, arbeitet inzwischen multimedial mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Gilliam, dessen Konflikte mit den Studios einer breiten Öffentlichkeit einmal als Kampf der Fantasie gegen das Geld schlechthin galten, scheint finanziell und künstlerisch zweite Wahl geworden. Kusturica, der die Palmen, Bären und Löwen bündelweise gewonnen hat, gefällt sich in reaktionären Gesten, als Filmemacher ist er längst abgeschrieben. Und Fellini? Hat sich wieder eingegliedert in die reiche Geschichte des italienischen Kinos, zu deren Zampano man ihn (und er sich) gemacht hatte – und wartet auf sein Comeback. Die Konjunkturen der Aufmerksamkeit sind launisch, aber die Chancen auf eine Wiederkehr stehen womöglich gar nicht schlecht. Nicht nur, weil die Filme das verdient hätten (auch wenn sie ohne den Kult um den Schöpfer wahrscheinlich besser zu erkennen sind), sondern auch, weil Fellini als Vorbild gebraucht wird. Dem Weltkino heute fehlen Dompteure, die „die Welt entlang ihrer Leidenschaften zähmen” (wie Frieda Grafe einmal geschrieben hat) und in der Arena nicht so sehr für Ordnung als für Leben sorgen…

(Eingestellt von Christoph)

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. jaja haha
    kinski als samurai das wär was gewesen

    ausserdem
    deleuze disst camembert

    und
    ford round the bend

  2. Ah — Federico. Danke. Fords Trick, sich zum „einfachen” Westernregisseur zu stilisieren, wirkt bis heute nach, womöglich zum Vorteil der Filme… Aber es stimmt schon, sein Werk ist viel zu wenig präsent.

  3. Vielen Dank für diesen Text. Ähnliche Gedanken mache ich mir öfters in Bezug auf John Ford, der wiederum ein Idol Fellinis war. In Deutschland gab es da mal eine schleppende Wiederentdeckung in den 70ern, die aber nur wenig erreicht hat.

    Nicht wichtig, aber weil es häufiger zu lesen ist: Fellinis Vorname wird ohne "r" nach dem F geschrieben.

  4. Herzog disst Fellini:

    … But it’s not just directors who are still around and kicking that Herzog targets, but he recalls that his frequent collaborator Klaus Kinski didn’t think much of a couple respected international auteurs. “He refused offers by Fellini, Kurosawa, and others,” Herzog explained. “It was clear to him that the films we made would define him. Why does he refuse an offer by Fellini, for example? Because the thought he made bad films. And I share his opinion.”

    http://blogs.indiewire.com/theplaylist/archives/werner_herzog_says_woody_allen_wont_milk_a_cow_calls_out_oliver_stone_for/

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