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Ein afghanisches Gemeindefest.

Keine Ahnung, was auf mich zukommt. Als ich den Saal in der HFBK betrete liegt köstlicher Reisduft in der Luft. Ich sehe hohe Wände mit Jugendstilgemälden, zwei Bühnen, an jedem Ende des Raumes eine, die zwecks Filmprojektion mit Leinen verhängt werden können. In der Mitte festlich gedeckte Tische für etwa 200 Gäste, ein langes Buffet mit afghanischen Spezialitäten, von Malalai gekocht und von Gästen mitgebracht. Der Saal füllt sich schnell und ist bald brechend voll. Es wird warm und ich bin nicht mehr länger in Hamburg, sondern mitten im Orient gelandet. Lautes Stimmengewirr verschiedener Sprachen, die ich sämtlich nicht beherrsche. Initiiert wurde das Ganze von dem Künstlerkollektiv PARALLELAKTION, die spartenübergreifend Kunstprojekte auf die Beine stellen und hier mit 16 Jugendlichen, 14 Jungen und zwei Mädchen, zusammen gearbeitet haben. Sie sind zwischen 3 und 9 Monaten bereits in Hamburg – unbegleitet. Sie sind in Einrichtungen untergebracht, lernen Deutsch. Manche warten auf ihre Familien, andere nicht. Sie kommen aus Afghanistan.

Die Bühnen mit Teppich und Sitzkissen muten wie orientalische Picknickpodeste an, die Jungs sitzen im Halbkreis, einer singt und spielt Hammonium, ein anderer trommelt, die übrigen klatschen und singen leise mit. Im Wechsel wird auf beiden Bühnen in unterschiedlichen Darstellungsformen die Geschichte von Malalais Weg nach Deutschland erzählt, eingerahmt von musikalischen Einlagen – kleinen, wundervollen Konzerten der Jugendlichen im Alter von 13 bis 16 Jahren. Der Charme dieser Veranstaltung, die von der Energie der Jugendlichen getragen wird, zieht mich in seinen Bann. Einer der Höhepunkte ist das Puppentheater. Die Episoden werden im Stehen mit viel Mutterwitz gespielt, den man sogar ohne Sprachkenntnis fast verstehen kann. Die Klappmaulpuppen, jede mit einem orientalischen Charakteristikum versehen, haben die jungen Afghanen/innen selbst gebaut. Wieder Musik. Diesmal mit Tanz. Ein Lied muss ein Hit sein, denn der Saal tobt, die Tänzer legen noch eine Schippe drauf und unsere Herzen gehören ihnen.

Das letzte Video: Malalai will diese jungen Menschen nicht vergessen, also hat sie ihre eigene Videokamera mitgebracht und filmt diese kraftvolle, begabte Bande. Jeder sitzt abwechselnd auf einem Hocker, sagt Name, Herkunft, Alter. Malalai bittet sie Deutsch zu lernen, damit sie schnell im Bildungssystem Fuß fassen, Abitur machen und studieren können. Das wünscht sie sich von ganzem Herzen. Scheu legen die 16 das Versprechen ab.

Nach 2 ½ Stunden ist die Vorstellung vorbei, aber das Fest ist es noch lange nicht. Kaum einer will hier schon gehen, auch mir ist mittlerweile die Musik vertraut und von der geballten Lebenskraft, dieser beglückenden Ausstrahlung, die von den 16 Energiebündeln immer wieder von beiden Bühnen ins Publikum geströmt ist, bin ich ein bisschen afghanisch besoffen. Sie sind hier heute nicht angetreten, um auf sich aufmerksam zu machen als junge afghanische Flüchtlinge. Sie haben gearbeitet, geprobt, an vielen Nachmittagen bis spät in den Abend, um an diesem 3. Oktober zu zeigen, was und wo jetzt ihre Koordinaten sind, ihre Anknüpfungspunkte in diesem neuen Land.

Karime Vakilzadeh – Bloggerin

AKTIVITÄTEN DER MITGLIEDER: MALALAI von PARALLELAKTION

(nic)