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Interview mit Carmen Losmann

Gibt es so etwas wie eine leitende Idee für Dich beim Filmemachen?

Ich bin der Auffassung, dass unser Leben durchdrungen ist von der Ideologie des modernen Kapitalismus – gleichzeitig ist die Frage nach der Funktionsweise des Kapitalismus seltsam unterrepräsentiert im Film. Ich selber kann nur sagen, dass ich gerne analysiere und begreife, was mich umgibt und durch mich hindurchwirkt. Und weil ich nun mal das Filmemachen gelernt habe, mache ich zu diesen Fragen eben Filme.

Wie sind die neun Jahre seit dem letzten Film „Work Hard – Play Hard“ vergangen?

Was meine Arbeit am Film angeht: Ich habe 2012 mit der Recherche angefangen, hatte nach zwei, drei Jahren eine ausgearbeitete Treatment-Fassung, dann begann 2016 die Realisierungsphase und 2017 haben wir mit Drehen begonnen. Insgesamt hat sich das Filmprojekt auch deshalb hingezogen, weil die angedachte Dramaturgie und die recherchierten Episoden sich nur zum kleineren Teil umsetzen ließ. Ich musste also während der gesamten Realisierungsphase immer wieder nebenher weiter recherchieren und das hat das Projekt ganz schön in die Länge gezogen. Darüber hinaus bin ich auch nur Teilzeit-Filmemacherin und arbeite parallel auch noch an anderen Projekten.

War es problematisch den Film zu finanzieren? Welche Erfahrungen hast Du dabei gemacht?

Es war relativ unproblematisch: Die Recherchephase konnte ich über das Gerd-Ruge-Stipendium finanzieren. Danach ist anhand des fertigen Treatments die Filmredaktion von 3sat eingestiegen und mit dieser Senderzusage haben wir noch andere Filmförderungen beantragt und bekamen Förderung von der Filmstiftung NRW, dem Kuratorium Junger Deutscher Film, dem BKM und dem DFFF.

Du schilderst im Film Probleme, die Welt des Geldwesens abzubilden. Worin bestanden die genau?

Zunächst ist ja schon meine Fragestellung, nämlich worin besteht der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum, Verschuldung und Vermögenskonzentration, eine, die sich nicht unbedingt für das dokumentarische Arbeiten anbietet. Einfach weil die Architektur unserer Geld- und Wirtschaftsordnung sich nicht als leicht erkennbare Bilder übersetzen und damit filmen lassen. Das war und ist das erste Problem.

Ein zweites Problem, dem ich begegnete, war die Schwierigkeit Drehgenehmigungen zu bekommen, selbst für Dinge, die „sichtbar“ werden, wie z.B. die Kreditvergabe bei einer Geschäftsbank. Als ich mich auf die Suche gemacht habe, nach einer Bank, die uns diesen Vorgang zeigt, haben die Pressestellen der meisten Banken ablehnt und wussten teilweise gar nicht, wovon ich sprach. Schließlich habe ich die Schweizer Gemeinschaftsbank gefunden, die bereit war eine Kreditvergabe vor der Kamera zu zeigen. Die Unwilligkeit, die Türen für ein Kamerateam zu öffnen, hat sicher wiederum mit unterschiedlichen Faktoren zu tun: In Unternehmen herrscht einfach Zeit- und Gelddruck, da macht es ökonomisch nicht unbedingt Sinn, sich mit den Anfragen von irgendwelchen Dokumentarfilmer*innen herumzuschlagen. Außerdem kommt der heikle Punkt von Betriebsinterna zum Tragen, die nicht unbedingt für die Öffentlichkeit gedacht sind. Noch dazu kam ich ja nicht mit einem kurzen, journalistischen Format um die Ecke, sondern mit einer Doku, die sich um gesamtwirtschaftliche, grundsätzliche Fragen dreht und auch nicht so klar durchgescriptet war. Und mein vorhergehender Dokumentarfilm „Work Hard Play Hard“ war auch nicht unbedingt ein Türöffner. Und last not least: in ein, zwei Fällen wurden mir schon geplante Drehtage wieder abgesagt, ohne Begründung, da weiß ich nicht wirklich worin das Problem bestand.

Insgesamt wurde diese Suche nach möglichen Drehorten und Interviewpartnern ein wesentlicher Bestandteil der Produktionsbedingungen dieses Films, so dass ich mich während der Fertigstellungsphase entschieden habe, das auch im Film zu thematisieren.

Bei allen Widerständen gegen die Teilnahme im Film haben einige Protagonisten recht ausführlich und offen geantwortet. Wie ist das zu erklären?

Ja, das stimmt und das möchte ich auch nochmal extra unterstreichen. Ich bin nicht nur vor verschlossenen Türen gestanden, sonst gäbe es diesen Film in der Form auch nicht. Ich habe jedenfalls eine große Wertschätzung, für die Protagonisten, die sich für ein Interview Zeit genommen haben, auch wenn meine Fragen ungewohnt oder naiv anmuteten. Wie das zu erklären ist, kann ich nicht wirklich sagen – ich vermute, ein positives Verhältnis zur Öffentlichkeit, auch wenn sie kritische oder unliebsame Nachfragen stellt. Es ist in gewisser Weise ein ungerechtes Missverhältnis im Film oder vielleicht im dokumentarischen Arbeiten an sich, dass diejenigen, die sich dafür öffnen, zu sehen sind, auch in ihren Momenten der Sprachlosigkeit und diejenigen, die „Nein“ sagen, bleiben ungesehen und sind nicht weiter adressierbar.

Überdies war mir oft nicht klar, wie sich ein Interview entwickeln würde: Bei BMW war ich ja zur Analysten- und Investorenkonferenz – dort wurde das Jahresergebnis von BMW präsentiert – und ich habe den Finanzvorstand nach den gesamtwirtschaftlichen Bedingungen für Gewinnerwirtschaftung befragt. Dass sich daraus dieser Dialog entspann, hatte sicher keiner von uns vermutet.

Du zielst in deinem Film auf die Paradoxien des Geldkreislaufs. Wie würdest du die in Kurzform wiedergegeben?

Wirtschaftswachstum entsteht durch Schulden machen. Akkumulation von Geldvermögen ist nicht die Voraussetzung, sondern das Ergebnis von Verschuldung.

Kannst Du etwas über Deinen eigenen Erkenntnisgewinn während der Recherchen und Dreharbeiten erzählen?

Insgesamt kann ich sagen, dass ich während der gesamten Arbeit am Film immer tiefer ins Thema eingestiegen bin und dann auch bei den jeweiligen Interviews stellenweise besser nachfragen konnte.

Während des Rerchercheprozesses war für mich sehr wichtig zu begreifen: Wir haben ein Alltagsverständnis von Geld und Schulden, das keine Entsprechung zu der gesamten Struktur unserer Wirtschafts- und Geldordnung hat: Unser Geld ist kein neutrales Tauschmittel, sondern entsteht bei Kreditvergabe als Guthaben und Verschuldung. Kurzum: wenn an einer Stelle Guthaben entsteht, Überschüsse, in Form von Unternehmensgewinnen beispielsweise, müssen auch an anderer Stelle die Schulden dafür vorhanden sein. Unser Geld besteht aus Bankschulden, wenn alle ihre Schulden zurückzahlen würden, hätten wir kein Geld mehr. Klingt erstmal völlig kontraintuitiv, aber ist wichtig zu verstehen, auch um beim nächsten Mal, wenn eine Person sagt: „Wir, z.B. der Staat, dürfen uns nicht weiter verschulden“ nachzufragen: „Okay, und wer nimmt dann die Schulden stattdessen auf? Oder sollen auf der anderen Seite auch die Geldvermögen reduziert werden, z.B. in Form einer Vermögenssteuer?“

Die Verblüffung der Gesprächsteilnehmer bei der Frage, woher Gewinne kommen, wirkt echt. Wie erklärst Du Dir diese Sprachlosigkeit?

Die Sprachlosigkeit mancher meiner Interviewpartner verweist für mich auf ein strukturelles, größeres Problem: offensichtlich bilden wir als Gesellschaft Ökonom*innen aus, die zwar hochkompetent und funktionstüchtig in ihrem operativen Arbeitsbereich sind, sich aber darüberhinaus über manche grundlegenden Zusammenhänge einfach nie Gedanken machen mussten. Für mich ein klarer Hinweis für so manche Leerstelle in der ökonomischen Wissenschaft. Im Grunde zitiere ich im Film ja eine Frage aus Marx‘ zweitem Band des Kapitals: „Wie kann nun die ganze Kapitalistenklasse beständig 600 Pfd. Sterling aus der Zirkulation herausziehn, wenn sie beständig nur 500 Pfd. Sterling hineinwirft?“ Die Antwort auf diese Frage konnte Marx übrigens selbst nicht so recht finden, wie Rosa Luxemburg bemerkt hatte.

In der Frage nach der Herkunft der Gewinne taucht nicht die – mir als Erklärung bekannte – Spekulation auf, sie seien das Gegenstück zur Inflation, der Entwertung des Geldes durch größere Geldmengen in Umlauf. Ist diese Annahme unzulässig, wenn ja, warum?

Diese Erklärung kenne ich nicht und ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Frage richtig verstehe. Was ich dir zumindest zum Stichwort „Inflation“ sagen kann: Um gesamtwirtschaftlich Gewinne machen zu können, braucht es meiner Erkenntnis nach eine wachsende Geldmenge. Und unsere Geldmenge in Deutschland, aber auch global gesehen, ist in den letzten Jahrzehnten wirklich kontinuierlich angestiegen. Nun ließe sich vermuten, dass diese ausgeweitete Geldmenge zu Inflation führt – aber das ist nicht der Fall, zumindest nicht bei den Verbraucherpreisen. Die EZB, die ja eine Inflationsrate von 2% zum Ziel hat, kämpft ja eher gegen eine zu niedrige Inflationsrate, weil sie Angst vor Deflation hat, also einer Schrumpfung der Geldmenge, die zu einem Zusammenbruch der Wirtschaftsproduktion führen kann.

Bei den Vermögenswerten, also Wertpapieren oder auch Immobilien, kann man stattdessen tatsächlich eine Inflation feststellen. Nur dass das beispielsweise an den Aktienmärkten nicht unbedingt Inflation genannt wird, da freuen sich alle, wenn die Preise der Aktien weiter in die Höhe steigen. Dementsprechend würde ich nicht sagen, dass an den Finanzmärkten Gewinne ein Ausgleich für Inflation wären. Schließlich sind die Gewinne hier ja eben gerade durch diesen Preisanstieg, durch diese „Inflation“ bedingt.

Und als letzte Anmerkung: Der Umstand, dass die ständig wachsende Geldmenge eben nicht zur Inflation bei den Verbraucherpreisen führt, ist ein Indikator dafür, dass Inflation eben nicht von der Geldmenge abhängt, sondern vielmehr von den Lohnstückkosten, wie es u.a. die Vertreter*innen der „Modern Monetary Theory“ analysiert haben.

Du hast für den Titel die lateinische Schreibweise von Ökonomie gewählt. Wieso? Der Begriff bezeichnete in dieser Schreibung im ausgehenden Mittelalter laut Ständeordnung den privaten Hausstand im Unterschied zu ecclesia und politia und ist synomym als Begriff für die Landwirtschaft noch im Titel Dr. oec. enthalten.

Das war erstmal nur der Arbeitstitel des Films. Und der Titel ist es am Schluss auch geblieben, weil er das Themenfeld assoziativ aufmacht, ohne zu eng oder zu vorwegnehmend zu werden. Ich dachte lange, das lateinische Wort „Oeconomia“, das zum Beispiel Giorgio Agamben verwendet, sei ein Kunstwort. Aber jetzt hat mich kürzlich Mareike Wegener, die das Wort aufgebracht hatte, aufgeklärt: es hat griechische Herkunft und bedeutet „den Haushalt betreffend“. Jedenfalls habe ich keine bewusste Verbindung zu den von dir aufgeworfenen Begriffen und Übersetzungen ziehen wollen.

Im Film fällt der Satz: „Die ökonomische Wissenschaft dient der Verschleierung von Macht.“ Wie ist das zu verstehen?

Einer der Spielenden auf der Fußgängerzone zitiert mit diesem Satz den Wirtschaftsjournalisten und Volkswirten Norbert Häring. Ich verstehe diese zitierte Aussage so, dass sie uns darauf hinweist, dass vor allem in normativen Wissenschaften wie der Ökonomie, Theorien und Modelle vermittelt werden, die auf ihren ideologischen und interessensgeleiteten Gehalt gut überprüft werden sollten. Für diesen Analyseraum eröffnet dieses Zitat von Norbert Häring für mich die Tür und ich habe es deshalb auch in den Film genommen. Ich kann dazu auch die Forschungsarbeit der Professorin Silja Graupe empfehlen, die von einer geistigen Monokultur in der Wirtschaftslehre spricht und nachzeichnet, wie sich die verschiedenen ökonomischen Schulen im Laufe der Geschichte zu einer herrschenden Auffassung verengt haben. Und ich wage zu behaupten, dass Kapitalinteressen an dieser Entwicklung nicht unbeteiligt waren, zumindest profitieren sie davon, dass die sogenannte Neoklassik zur dominierenden Lehrmeinung geworden ist, die für die Programmatik des Neoliberalismus den theoretische Background liefert und die Ungleichheit in der Vermögensverteilung nochmal massiv vorangetrieben hat.

Die Kritik des kapitalistischen Wirtschaftssystems wird von den Monopoly-SpielerInnen in der Fußgängerzone vorgetragen. Ich muss zugeben, dass ich, obwohl ich speziell darauf bei der Pressevorführung geachtet habe, zwar die teils brillanten Analysen noch im Kopf habe, aber nicht mehr genau wiedergeben könnte, was sie als Alternative zu der vom Schuldenmachen angetriebenen Wachstumsblase empfehlen. Wie stehst Du selbst jenseits des Films dazu?

Vorneweg möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass unser Alltagsverständnis von Schulden eher dem Eindruck folgt: Schulden sind ein Problem und sollen eher weniger werden anstatt mehr. Das stimmt ja auch für unser individuelles Leben, da können Schulden durchaus zu einem existenziellen Problem werden. Dass Schulden aber gleichzeitig unser Geld darstellen, und die Voraussetzung dafür, dass Gewinne gemacht werden können, ist seltener Teil unserer Wahrnehmung. Wenn sie es wäre, würden wir die Probleme der Verschuldung wahrscheinlich anders diskutieren. Im Grunde stehen wir vor folgenden Alternativen: Entweder wir akzeptieren, dass wir in einer Wirtschaft leben, in der Unternehmen nur dann produzieren, wenn sie einen Gewinn machen können – dann müssen wir aber auch damit klarkommen, dass sich Akteure spiegelbildlich für diese Gewinne verschulden müssen. Dabei stellt sich dann die Frage, inwieweit wir uns bei dieser Wachstumsspirale aus Profiten und Schulden unsere ökologischen Lebensgrundlagen ruinieren. Oder wir transformieren unsere Wirtschaft und finden einen Weg, wie Waren und Dienstleistungen auch ohne Gewinnerwartung produziert werden können, und kehren zu einem Wirtschaftskreislauf zurück, der die Grenzen des Planeten respektiert.

Deine Filme kreisen um Spiele oder thematisieren Erscheinungsformen unserer Wirtschaftswelt anhand von Spielen. Ist das für Dich ein Kennzeichen dieser Welt? Verstehst Du das Spiel als Metapher? Folgt diese Verbindung einem spieltheoretischen Ansatz des Verständnisses von Wirtschaft?

Das finde ich eine interessante Assoziation, die du da aufwirfst. Ich selber verfolge damit keine konkrete Absicht und ziehe keine Verbindungslinien. Für mich war das Spiel bei Oeoconomia eine erzählerische Möglichkeit, eine andere, eher kritische Perspektive zu Wort kommen zu lassen, ohne den berühmt-berüchtigten Erklärbären zu bemühen oder noch mehr Inhalte über Interviews zu erzählen.

Die Drehorte, vor allem die Kulissen der Finanzwelt, sind eigene, von der Alltagswelt losgelöste architektonische Welten. Es gibt, so hat man den Eindruck „kein Außen“ oder wenn, dann „unter“ den abgebildeten Mächtigen die Stadt (z.B. Köln, Frankfurt), gesehen durchs Panoramafenster. Und die cleane Architektur trägt – wie schon in „Work Hard – Play Hard“ dazu bei, dem Film den Look eines Science Fiction zu geben. Was willst Du damit darstellerisch erreichen?

Ich verbinde mit dem Look erstmal nichts Science-Fiction-artiges. Grundsätzlich sehe ich Architektur als Ausdruck der uns umgebenden Lebensrealitäten und Wirkungsräume. Ich arbeite ja dokumentarisch in dem Sinne, dass ich diese Architektur, diese Räumlichkeiten vorfinde und nicht wie im Science-Fiction-Film extra dafür bauen lasse. Ich versuche vielmehr, das, was an programmatischer Ideologie in die Architektur eingeschrieben zu sein scheint, zu betonen und sichtbar zu machen. Jedes Gebäude ist ja auch eine Art Glaubensgebäude. In Oeconomia haben Dirk Lütter und ich versucht, die Welt als eine von horizontalen und vertikalen Linien gestaltete darzustellen. Sichtbar wird eine Rastermatrix, ein Matheheft, eine Metrik, die alles in einzelne Kästchen zerlegt, die nur noch verrechnend miteinander in Beziehung treten. Das sind zumindest meine Assoziationen damit.

Welche Bedeutung haben Schnitt und Nachbearbeitung für Dich? Die grafische Gestaltung ist ja diesmal ein zentrales gestalterisches Element.

Ich spreche eigentlich lieber von „Montage“ anstatt von „Schnitt“. Meinem Empfinden nach entsteht bei diesem Prozess nämlich der eigentliche Film, er wird aus lauter verschiedenen Einzelteilen zusammenmontiert. Es entsteht eine verbindende Einheit, eine Synthese, und das Wort „Schnitt“ hat für mich eher eine trennende, sezierende, auseinanderschneidende Assoziation. Und die Montage ist ein mächtiges Mittel insofern, als dass sie die einzelnen Teile in einen filmischen, einen zeitchronologischen Zusammenhang bringt und sich daraus etwas Größeres herstellt, ein Erkenntnisgewinn, was in den jeweiligen Einzelteilen gar nicht erkennbar war. Beispielsweise sagt ein Finanzvorstand nach ca. zwei Dritteln des Films, dass ihre firmeneigene Automobilfinanzierung den gleichen Regularien unterworfen ist, wie eine normale Bank. Dadurch, dass im Film bereits erklärt wurde, wie bei einer Kreditvergabe neues Geld erzeugt wurde, bekommt diese Aussage eine andere Bedeutung, die sich über das Mittel der Montage herstellt.

Was die grafische Ebene angeht: Wir, also der Cutter Henk Drees und ich, haben aus der Not eine Tugend gemacht. Der Film bliebe lange Zeit einfach unverständlich und wir fingen an, uns selbst die Zusammenhänge mittels einer virtuellen Mind-Mapping-Programms zu vergegenwärtigen. Daraus hat sich peu á peu diese grafische Ebene entwickelt, die zu guter Letzt nochmal von Michael Deeg feinjustiert und in seine finale Form gebracht wurde. Diese grafische Ebene kam also erst im Schnitt dazu, die war im Drehbuch überhaupt nicht geplant und es ist Hannes Lang gutem Finanzmanagement zu verdanken, dass wir sie uns in der Postproduktion noch zusätzlich leisten konnten.

Du arbeitest generell mit Inszenierungen (Monopoly, Konferenzraumszenen), mit ausgeklügelten, gebauten Bildern und mit einer suggestiven Tonspur. Welchen Begriff von Dokumentarfilm verfolgst Du? Welche Rolle spielt darin „die Wirklichkeit“, welche spielst Du selbst als Filmemacherin?

Ich würde nicht sagen, dass ich generell so arbeite. Zu meinen Studienzeiten an der Kunsthochschule für Medien habe ich im dokumentarischen Bereich nur rein beobachtend gearbeitet, es gab nicht mal ansatzweise Musik. Das hat sich schon bei WHPH und auch jetzt bei OECONOMIA geändert, auch weil ich bei beiden Filmen gemerkt habe, dass ich diese Themen nicht rein beobachtend erzählen kann, sondern eine andere Filmsprache benötige, die sich auch der Mittel bedient, die du ansprichst. Meistens als Versuch, die Filme verständlicher und für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen. Einerseits habe ich damit immer wieder selbst meine Schwierigkeiten, vor allem hinsichtlich der Frage, inwieweit ich damit das Material manipulierend zurechtforme und wo die Grenzen dabei sind. Die Antwort, die ich darauf finde, ist: Wenn der Film so, wie er filmsprachlich gebaut ist, in Resonanz geht, mit dem was wir als Publikum als Wirklichkeit erleben, und er uns damit hilft, diese Wirklichkeit klarer zu erkennen, dann halte ich es für legitim.

Interviewfragen Marcus Seibert