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Katrin Eissing über WAITING FOR APRIL und MADAME HYDE

 

Die beiden Filme schliessen wie logisch an den gestrigen Abend an. In YET TO RULE begehren die Körper, aber fliegen aus Unerträglichkeit oder Unerreichbarkeit des Begehrten in ihre unterschiedlichen in ihnen wohnenden Geschlechter auseinander.

„Love will tear us apart.“ Sprechen wir hier von Liebe unter Gleichen? Naja in einem Gesellschaftsystem, dass sich Unterdrückung aus Prinzip leistet, wird die Sehnsucht nach dem einfachen Verstandenwerden, nach Sex und Liebe gleichzeitig … schnell zum Wahn und der Wahn wieder zum Witz. 

Zwei Filme voller Witzfigurenheiliger.

… es gibt unterschiedliche Gründe Filme zu sehen. Musik? Ging im ersten (WAITING FOR APRIL) nicht. Angetriggert durch die Mittelalterklänge vermischte sich alles wie in der „Bank of permanent fog“ in mir … Mathe? … oke …

„Love will tear us apart … again“

In beiden Filmen gibt es fast nur körper- und/oder sexlose Wesen. Bzw. wenn sie tatsächliche Körper haben könnten, oder es auch irgendwie wichtig wäre (… wofür braucht mensch einen Körper??? …) transformieren diese gerade (WAITING FOR APRIL). Der Schauspieler spielt Jesus in einer Fernsehserie. Er hat einen Gorillaarm. Überhaupt: Die einzigen Männer die länger auftauchen und ganz oke scheinen, haben einen Affenarm oder stinken. Im Kino kann das keiner riechen, wirkt also als bestialischer Bann. Was uns der Dichter sagen will, ist klar. Der Anfang, in dem in grosse Telefonhörer poetische Sätze gesprochen werden, gefiel mir. Gesichter, schönes Licht. Die Bäume waren superschön und der Friseursalon ausschliesslich für farbige Frauen in dem Gott wohnt (der ja weiblich und farbig/schwarz sein muss oder?) echt witzig. Vielleicht ist es wie mit Gedichten, die mensch erst später würdigen kann. Jedenfalls schon gut, dass es solche Filme gibt. 

 

…Im Film MADAME HYDE sind alle Männer Kinder: der Schuldirektor ein eitler, dürrer Streber, ewig beleidigt. Der Ehemann eine dumme Stehaufpuppe, der einzig mögliche Mann/Schüler eben noch ein Kind. Der Körper der Lehrerin eh schon blass und zart, transzendiert in ein Feuerdasein, wird selbst zur Flame of Knowledge. Dieser Körper schwebt nachts, leuchtend, rächend und gefährlich in einem Vorort von Lyon herum. Schlafzimmerfenster zeigen auf den Friedhof. Wie eine erwachsene Carry, die Lehrerin wurde um sich und alle Gemobbten zu rächen, ist sie immer noch nicht der permanenten Verletzung ihrer Würde entronnen. Das ist alles oft sehr lustig. Auch ein Weg aber.

Schon wichtig ist, dass es um die Flamme der Weisheit geht und vielleicht muss das jetzt ein Witz sein um nicht unter zu gehen. Und mir persönlich gefällt, dass es so hoch finanziert ist und gut aussieht … trotzdem

… Kann es sein, dass Serge Bozon sich irgendwie unterfordert? ich meine das nicht technisch.

Wie die anschliessende Debatte über „Humor und Brüchigkeit“ von aussen aussah war auch lustig. Es ging mindestens ein Liter Wodka dabei drauf. Eva Löbau klug und witzig. Serge Bozon schwang sich zu slapstickartigen Ansprachen auf, die aber auch wunderschön verebbten.

 

WAITING FOR APRIL

R: Olivier Godin, C: Michel Faubert, Johanna Nutter, Étienne Pilon, Tatiana Zinga Botao, K: Renaud Després-Larose, CA 2018, 78 Min., französische OmeU – WP

MRS. HYDE (MADAME HYDE)

R: Serge Bozon, C: Isabelle Huppert, Romain Duris, José Garcia, Adda Sedani, K: Céline Bozon, FR/BE 2017, 95 Min., französische OmeU

Debatte: HUMOR UND BRÜCHIGKEIT