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Der Anstoß, einen Kommentar zu schreiben, gab ein engagierter Artikel von Til Schindler über die ethnische Schauspielerbesetzung im deutschen Theater, Film und Fernsehen. Aber vor allem meine persönliche Erfahrung in dieser Branche zeigt auf, wie die Situation von Schauspieler_innen ist, die nicht dem Aussehen des klassischen Nordeuropäers entsprechen.

Ich bin Evi Rejeki, eine deutsch-indonesische Schauspielerin aus Schleswig-Holstein und werde nur für Klischeerollen angefragt. Woran das liegt? Ganz einfach: Ich stecke noch immer in der diskriminierenden Besetzungskultur fest. Wichtige Caster_innen, die Preise gewonnen haben, rufen an und möchten mich zu einem Casting einladen. Ich würde die Rolle einer Putzfrau etc. spielen, bitte in der Ficki-Ficki Sprache. Bravo! Gewinnt man Preise, wenn man den Klischees nicht widerspricht?

Filmstudenten, die aus dem Ausland, die in einer der besten Filmschulen Deutschlands studieren, bieten mir in ihrem schlechten Deutsch Klischeerollen an. Und ich sage mir, spiel ́s doch selber, du kannst viel besser schlechtes Deutsch sprechen als ich. Meine ehemalige Agentur wäre stinksauer gewesen, wenn ich Einladungen/Rollen für solche Stereotypen abgelehnt hätte. So etwas tut man nicht, erst recht nicht bei wichtigen namhaften Regisseuren und Castern. Lange hat es mich geärgert. Zum ersten Mal habe ich nun bei einer renommierten Casterin auf gut deutsch dankend abgelehnt. Was ist mir dadurch entgangen? Gage? Wichtige Kontakte? Meine Karriere? Möglicherweise. Aber auch ein zweiter Anruf: Noch einmal wird sie mir so eine Rolle nicht anbieten. Die Wahrscheinlichkeit ist sogar sehr hoch, dass sie mich nie wieder anrufen wird.

Fixierungen auf die Hautfarbe und eingefahrene Denkmuster sind immer noch tief in den Köpfen der Verantwortlichen verankert: bei Castern, Regisseuren, Sendern, Redakteuren. Leider sind aus ökonomischen Gründen viele Schauspieler mit und ohne Background dazu gezwungen, diese undankbaren Rollen anzunehmen. Anderenfalls, so lautet die Drohung, mache es ein anderer. Vielleicht sollten all diejenigen, die betroffen sind, mal streiken?
Die deutsche Schauspielerin Pegah Ferydon, iranischer Herkunft (u.a. Zweiohrküken) wurde zehn Jahre lang von ihrer Agentur verdonnert, dass sie so lange Kopftuchrollen zu spielen habe, bis sie berühmt sei. Nun ist sie bekannt, spielt aber immer noch Klischeerollen, siehe „Türkisch für Anfänger“. Hilmi Sözer (u.a. Jerichow) deutscher Schauspieler mit türkischer Abstammung, wird wieder und wieder in Stereotypen gesteckt. Selbst in Jerichow durfte er keinen selbstbewussten Protagonisten spielen.

Ja, es gibt sie, die vietnamesischen Zigarettenverkäufer, die türkischen Fieslinge oder die russischen Prostituierten. Aber sie spiegeln nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit wider. Die Realität ist viel differenzierter.

Es wäre zu wünschen, dass Programmchefs ihre Redaktionen motivieren, mehr kulturelle Diversity nebeneinander im Hauptcast zuzulassen. Den Zuschauern kann man das schon zumuten, dass der Arzt von einem Schauspieler mit anderer Hautfarbe und mit akzentfreiem Deutsch gespielt wird.

Ich will die Rolle einer mächtigen Rechtsanwältin spielen oder die einer wortkargen Kommissarin oder die einer korrupten Politikerin. Devot war gestern. Ich kann sogar ziemlich deut(sch)lich: „Ich bin kein schlecht sprechendes Vorurteil, sondern Schauspielerin aus Schleswig-Holstein. Auf allen Ebenen wünsche ich mir Respekt, Toleranz, Wertschätzung und Vielfalt. Und Vielfalt bedeutet Bereicherung und keine Behinderung.“

Mit meiner neugegründeten Filmproduktionsfirma werde ich neue deutsche Filme produzieren. Besetzungsmäßig sollen die Filme wie ein Blumenstrauß sein. Ohne, dass der Migrationshintergrund zum Vordergrund gemacht wird. Für neue deutsche Filme. Für mehr Migrantenstadl. Für mehr Flühlingslolle aus Schleswig-Holstein.

Cheers, Evi Rejeki

(Eingestellt von Christoph)

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Nicht um dir zu widersprechen, aber die Schublade ist für viele eng, die „anders” aussehen – für Dicke zum Beispiel. Bin gespannt auf die von dir produzierten Filme. Martin

Kommentare sind geschlossen.