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Der Online-Händler Amazon hat vor einem Jahr ein „Studio” gegründet, eine Plattform für Nachwuchsfilmer, die ihre Drehbücher und Filmprojekte einreichen und einem Online-Publikum vorstellen können. Inzwischen hat das Unternehmen eine gewisse Reife gewonnen, erste Ergebnisse lassen sich begutachten. 

Das „Studio” funktioniert im Sinne eines offenen, permanenten Wettbewerbs. In einer schwer zu durchschauenden Mischung aus kommerziellen Kalkül und mehr oder weniger populistischen Mitmach-Effekten werden aus den Einsendungen Gewinner gekürt, die dann in die nächste Phase vorrücken und von usern und Experten gemeinsam bewertet und beraten werden, um ihr Vorhaben im Sinne dieser kollektiv-virtuellen Studiochefs verbessern zu können. Letztlich also eine Art development hell, die die Nutzer überwiegend selbst finanzieren und die das potentielle Publikum schon vor Entstehung des Films involviert, in der Hoffnung, das „Risiko Film” so kalkulierbarer zu machen. Amazon wirbt mit dem Dreisatz „win money – get noticed – get your movie made”. Für diesen letzten Punkt steht der First-Look-Deal mit Warner – oder, natürlich, crowd funding

So oder so, es scheint fraglich, ob sich unter diesen Bedingungen Filme durchsetzen, die wirklich erfinderisch und neu sind. Die aktuellen Finalisten-Projekte jedenfalls, die sich zum Teil in aufwändigen Previsualisierungen ansehen lassen, wirken allesamt sehr marktgängig. Die Previsualisierungen selbst aber – sind nicht uninteressant. Entstanden aus der Not heraus, die Projekte für ein tendenziell lesefaules Mitmachpublikum erlebbar zu machen, sind es meistens Slideshows mit Fotoboards, dazu eingesprochene Dialoge und Soundeffekte – durchaus verwandt mit den PreViz-Konzepten Coppolas aus den Tagen von ONE FROM THE HEART, damals 1980 (mehr dazu hier). 

Die Bilder unten zum Beispiel stammen aus  MEMORY, einem Projekt von Christian Davies („Regie” / Überarbeitung Drehbuch) und Alex Greenfield (Drehbuch), das als „Memento meets Seven” angepriesen wird und der „Winner September 2011 Best Test Movie” geworden ist. Viel mehr Genre-Gehorsam kann ich mir handlungsseitig kaum denken; ironischerweise liegen die Reize von Davies‘ Foto-Film in Abstraktionen, die der Film auf jeder anderen Ebene vermeidet. Wie auch immer, man kann sich diesen Test-Film in voller Länge ansehen, obwohl er ja noch nicht gedreht wurde – um dann mit einem Ranking die Chancen auf einen Preis zu beeinflussen (Das einzige Ranking bisher stammt konsequenter Weise von Davies Vater). 

Wie zwiespältig auch immer die Ergebnisse, das ganze Vorhaben „Amazon Studios” ist einen Besuch wert und ermöglicht mindestens logistisch einen Blick in die Zukunft Hollywoods. Vor die Alternative gestellt, Server-Mieten und einen Webmaster oder aber ein Büro mit Parkplatz, Security, Vorzimmerdame usw. zu bezahlen, könnte sich so mancher reale Studiochef in eine virtuelle Entwicklungsabteilung verlieben.

Bilder aus dem „Test-Movie” MEMORY, von Christian Davies.

(Eingestellt von Christoph)