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Vor zwei Wochen starb viel zu jung der Musiker und Filmkomponist Tobias Ellenberg. Seiner Musik verdanken meine ersten drei Filme so ziemlich alles. Vor allem die Kompositionen für „Die Liebe der Kinder“, als Tobias noch bei Kräften war, hatten es in sich. Stefan Stabenow montierte damals den Film mit Layout Musiken von Kings of Convenience, aber irgendwie wollte der Film sich nicht erzählen, war seltsam steif und grau. Und ja: langweilig. Dann kam ein erstes zweiminütiges Soundfile von Tobias, in dem schon vier der späteren musikalischen Themen des Films enthalten waren. Und auf einmal schnitt sich der Film fast wie von allein.

Tobias konnte Melodien erfinden, ganz einfache kleine Stücke schreiben, die groß waren. Für Florian Mischa Böders Musical „Ich muss gehen“ schrieb er eine Musik, die Michel Legrand alle Ehre gemacht hätte, ohne je dessen Musik gehört zu haben. Und für „Die Liebe der Kinder“ hat er an einem Tag während der Tonaufnahmen einen Abspannsong komponiert, der einfach bezaubernd ist.

Oft hat er „Verbotenes“ gemacht: zu viele Gitarren, die wie verdoppelte Simons and Garfunkels übereinander spielen, Rhythmen, die so laid-back sind, Bläser, so out of tune, dass eins lachen muss, laienhafte Singstimmen, die keiner professionellen Qualitätskontrolle standhalten.

Streng mit seiner Musik war er trotzdem, nie konventionell. Er war kein unkomplizierter Mensch, und das war schön.

Er konnte die Score-Musik in GTA IV oder John Williams genauso wertschätzen wie den Blues von Wes Montgomery oder Jazz überhaupt, für den sein Herz schlug. Schon seit einigen Jahren konnte Tobias aufgrund einer MS-Erkrankung nicht mehr komponieren, jetzt fehlt er auch als Mensch.

Ich bin traurig, aber auch sehr wütend. Weil jemand wie Tobias in diesem verdammten filmmusikalischen Unland keine Wertschätzung zu Lebzeiten erhalten hat, keine Folgeprojekte für seine tollen Kompositionen. Weil überhaupt der Umgang mit Filmkomponist*innen in der deutschen Filmlandschaft alles andere als erfreulich ist. Die Budgets oft lächerlich gemessen an dem, was die Musik für die Filme bedeutet, der menschliche Umgang zuweilen miserabel – wer schon mal mit Musikberater*innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu tun hatte, weiß, wovon ich spreche – und die Musik soll häufig erst ganz am Ende draufgekleistert werden, wenn der Schnitt schon fertig ist.

Es gibt natürlich Ausnahmen, aber dass die Musik eigentlich auch vor dem Dreh da sein könnte und der Film sich in seinem Rhythmus und seiner Tonart an den musikalischen Themen orientiert, das wäre doch eigentlich die richtige Reihenfolge.

Mehr Sardes, mehr Mancinas, mehr de Roubaix, mehr Morriconas, mehr Ellenberg*s, das wäre schön für die Zukunft. Mehr Freude an Musik überhaupt und das entsprechende Verständnis dafür in der Planung und Finanzierung. Und vor allem: mehr Respekt!

Franz