Unser Heft 50 ist gerade frisch aus der Druckerei eingetroffen. Darin auch das Interview mit Sohrab Shahid Saless von 1977 "Stilles Leben in der Fremde", wiederabgedruckt im dreibändigen Werk "Die langen Ferien des Sohrab Shahid Saless. Annäherungen an ein Leben und Werk" von Behrang Samsami. Am 28. Juni 2024 wäre Saless achtzig geworden. Ein Gastbeitrag zum Anlass.
Vor ein paar Tagen las ich folgendes auf einem Internet Portal einer deutschen Tageszeitung im Hinblick auf die Vorfälle der Sylvesternacht in Köln:
„Die marokkanische Diaspora, die schon seit Jahren hier lebt, gilt als sehr gut integriert. Was kann sie tun, um die „neuen“ Marokkaner auf den richtigen Weg zu bringen?
Es gibt viele Möglichkeiten, zum Beispiel Patenschaftsprogramme zwischen alteingesessenen und „neuen“ Marokkanern. Wir müssen ihnen vor allem eines klar machen: Das Leben hier in Deutschland ist kein Kinofilm.“
Und da fiel mir wieder ein, wie wir auf einer Revolver Sitzung im Spätsommer 2015 das Programmheft der Filmreihe zur „Berliner Schule“ in Moskau in der Hand hielten. Hinten im Heft war zu jedem Film ein Still abgebildet, eine Bildersammlung, die jemanden von uns – ich weiß nicht mehr, wer es war – zu der Aussage verleitete: Wenn man in den Herkunftsländern der Flüchtlinge, in Algerien, Tunesien, der Türkei, Afghanistan, Mali, dem Senegal, Irak oder in Marokko an Schulen, in Gemeindeeinrichtungen und in den Goethe Instituten flächendeckend Filmreihen der Berliner Schule veranstalten würde, dann würde keiner mehr auf die Idee kommen, hier in Deutschland leben zu wollen. Wir haben natürlich alle laut gelacht damals – es war die Zeit, als nach Griechenland alle nur noch über die sogenannte Flüchtlingskrise geredet haben und das Wort Abschreckung auf einmal allgegenwärtig war, ohne dass jemand wirklich offen über die wahren Probleme gesprochen hätte. Und natürlich ist das auch totaler Unsinn, wenn es um Bürgerkriegs- oder brutale Armutsflüchtlinge geht. Was den Traum vom besseren Leben, von der Perspektive angeht, da geht es wiederum um Bilder. So zynisch es zunächst klingen mag, ich glaube, dass da ein wahrer Kern drin steckt in dieser nicht ernst gemeinten, spielerischen Überlegung. Und ich denke, dass das sowohl für als auch gegen besagte Filme spricht.
Ich habe mich dann auch gefragt, ob die noch wirksamere Abschreckung nicht wäre, die Top Ten des deutschen Kinos in Dauerloops zu zeigen, bin dann aber wieder von dem Glauben an die Wirksamkeit einer solchen Aktion abgerückt, obwohl es bei mir wahrscheinlich funktioniert hätte.
Also falls jemand die Sache mit der Berliner Schule als Ernüchterungs- und Desillusionierungsprinzip noch in die Hand nehmen sollte und die Idee umsetzen will, ich stelle meine Filme gern zur Verfügung…
Franz
p.s.: Denkbar wäre auch, dass der Staat in Anti Image Kampagnen investiert und wir auf diese Art vielleicht endlich mal ein schmutziges Gegenkino zustande bekommen. Imploitation gewissermaßen ;-)